Chronik für das Jahr 1919 |
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1. Mai 1919 Der heutige laut Verordnung des Reichspräsidenten und des Reichsministers dem Gedanken des Weltfriedens, des Völkerbundes und des internationalen Arbeiterschutzes geweihte Tag wird als gesetzlicher Feiertag von der Arbeiterschaft festlich begangen. 2. Mai 1919 Die städtischen Kollegien beschließen, weitere 26 Baracken des Gefangenenlagers anzukaufen, so daß alsdann 4 mal 25 = 100 Wohnungen hergerichtet werden können, deren Benutzungsdauer auf 20 Jahre veranschlagt wird. Einem weiteren Beschluß zufolge soll ein paritätischer Arbeitsnachweis eingerichtet werden. 8. Mai 1919 Über die Zuständigkeit des Aktionsausschusses des Arbeiterrates einerseits und des Bürgervorsteher-Kollegiums andererseits waren Meinungsverschiedenheiten entstanden. Unter dem heutigen Datum bescheidet der Minister des Innern den dieserhalb vorstellig gewordenen stellvertretenden Bürgervorsteher-Wortführer, Rechtsanwalt Föge, dahin, daß in Sachen der vom Aktionsausschuß erhobenen Ansprüche das neugewählte Bürgervorsteher-Kollegium allein zu beschließen habe, da die Kontrolle der Gemeindeverwaltung Sache der neugewählten Gemeindevertretung sei. 11. Mai 1919 Am heutigen Sonntag wird nach nahezu fünfjähriger Pause Mariaspring wieder eröffnet, und zwar von Ernst Cillien, einem aus dem Elsaß Vertriebenen, der die Wirtschaft käuflich erworben hat. 16. Mai 1919 Dem vom Oberbürgermeister Dr. Calsow heute den städtischen Kollegien über die Finanzlage der Stadt erstatteten Bericht zufolge betrug deren Vermögen im Jahre 1914: 26.728.224 Mark. Die Kriegsanleihen haben (der Stadtkasse) einen Nominalwert von 5.300.000 Mark. Hierzu kommen in Neubauten angelegte Kapitalien im Betrag von 1.634.000 Mark. Zusammen: 33.662.224 Mark. Dem stehen am 1.4.1919 Schulden gegenüber in Höhe von 25.368.000 Mark. Es bleiben 8.294.224 Mark. Vom Staat sind zu erwarten an Erstattungen auf Kriegsaufwendungen: 3.350.000 Mark. Ergibt zusammen einen Vermögensbestand von 11.644.224 Mark. Die gesamten Aufwendungen für Kriegszwecke betrugen bis 1.4.1919 rund 27.825.000 Mark, wovon nach geleisteten Erstattungen 22.195.000 Mark und an Nettoausgaben verbleiben: 5.630.000 Mark. Hierauf sind noch zu erstatten etwa: 3.353.100 Mark, so daß der Stadtkasse voraussichtlich endgültig zur Last fallen, die auf Anleihe zu übernehmen sind: 2.276.900 Mark. Trotz Heranziehung aller verfügbaren Einnahmequellen ergibt sich im Haushaltsplan ein Fehlbetrag von 610.600 Mark, so daß eine Erhöhung der Zuschläge auf gleichmäßig 265% erforderlich ist. Unter fernerer Zugrundelegung eines Satzes von 4% für die Grundsteuer wird der Haushaltsplan für 1919/20 auf 5.307.138 Mark im ordentlichen und auf 358.550 Mark im außerordentlichen Teil festgestellt. 23. Mai 1919 Nachmittags 5 Uhr nach Hissung der roten Fahne auf dem Rathause Demonstration der Sozialdemokraten auf dem Marktplatz gegen den Gewaltfrieden, nachdem sie 10 Tage vorher die Beteiligung an einer gemeinsamen Kundgebung der gesamten Einwohnerschaft abgelehnt hatten. 30. Mai 1919 Die städtischen Kollegien beschließen den Beitritt zu der für die Provinz Hannover zu gründenden Kraftverkehrsgesellschaft mit einem Anteil von 5000 Mark, desgleichen mit einer Stammeinlage von 1000 Mark zu der Wirtschaftsgemeinschaft Südhannover, die das zum Verkauf gelangende Heeresgut unter Ausschaltung der Spekulation den Verbrauchern unmittelbar zuleiten will. Die Leitung des Stadttheaters wird für die Spielzeit 1919/20 an den Theaterdirektor Werner aus Colmar im Elsaß unter Zugrundelegung eines gemischt wirtschaftlichen Systems - Beteiligung der Stadt an Gewinn und Verlust - vergeben. Die Einführung der Sonntagsruhe für die Apotheken und die Regelung ihres Nachtdienstes wird in der gleichen Sitzung beschlossen. Die Handelskammer veröffentlicht einen scharfen Einspruch gegen die schmachvollen Fiedensbedingungen und erklärt sie einstimmig für unerfüllbar und unannehmbar. |
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