Chronik für das Jahr 1918

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2. November 1918

Die Handelskammer gibt weiteres Notgeld in Gestalt von 100.000 Zehnmarkscheinen heraus.

7. November 1918

Auf die 9. Kriegsanleihe wurden gezeichnet:

  • bei der städtischen Sparkasse: 5.500.000 Mark
  • bei der Kreissparkasse: 6.000.000 Mark
  • bei der Sparkasse Reinhausen: 1.500.000 Mark
  • beim Bankverein: 200.000 Mark
  • bei Klettwig und Reibstein: 2.100.000 Mark
  • beim Spar- und Vorschussverein: 170.000 Mark
  • bei der Gewerbebank: 80.000 Mark
  • im Bezirk der Reichsbankstelle Göttingen: 26.382.000 Mark
  • im Reiche: 10.443.000.000 Mark

9. November 1918

Ausbruch der Revolution.

Eine nachmittags 3 Uhr auf den Theaterplatz stattfindende Versammlung wählt einen "Soldaten- und Volksrat" und verlangt neben Mitteln zur Führung von dessen Geschäften, Bereitstellung eines Geschäftslokals und hauptsächlich Einblick für Delegierten des S.u.V.-Rs in die Geschäftsführung der Stadtverwaltung.

Darauf begibt sich der S.u.V.-R. zum Stadtkommando, wo eine Bekanntmachung an die "Bürger und Soldaten Göttingens" vereinbart wird, derzufolge die Kommandogewalt in der Stadt "bis zur endgültigen Regelung" vom S.u.V.-R. in Gemeinschaft mit dem Garnisonältesten, Major von Schütz, ausgeübt wird.

10. November 1918

Die Bekanntmachung wird am Sonntag veröffentlicht.

Vormittags 9¼ Uhr wird durch den Soldaten- und Volksrat die aus dem Rot der Reichsfahnen auf den Rathausboden hergestellte rote Fahne gehißt, unter dem Rufe: "Es lebe die freie deutsche Republik!".

Sodann um 11 Uhr Verhandlungen im Rathause zwischen Magistrat und S.u.V.-R. über des letzteren Beteiligung an den Stadtgeschäften mit folgendem Ergebnis: An den Sitzungen des Magistrats, sowie an den gemeinschaftlichen und an wichtigen Kommissions-Sitzungen nehmen bis auf weiteres ein bis zwei Mitglieder des S.u.V.-R.s mit beratender Stimme teil. Beschlüsse und Verfügungen werden von einem Mitgliede des S.u.V.-R.s gegengezeichnet. Von den wichtigen Eingängen wird den dazu bestimmten Mitgliedern Kenntnis gegeben.

11. November 1918

Die Zeitungen veröffentlichen die gestrigen in 19 Punkten gefaßten "Einigungsbedingungen". Die Punkte 1 - 4, 7, 8, 10, 11, 14, 15 betreffen die Regelung rein militärischer Angelegenheiten, Verpflegung der garnisonierenden und durchreisenden Truppen. Verwahrung der Waffen, Beibehaltung der Grußpflicht, die Offiziere behalten Waffen, Achselstücke und volle Bewegungsfreiheit usw. - Laut Punkt 5 verpflichtet sich der S.u.V.-R. (dessen Mitglieder laut Punkt 6 entsprechend gezeichnete weiße Armbinden tragen), für Ruhe und Ordnung und Sicherheit zu sorgen. Daher sollen lt. Punkt 9 auf frischer Tat ertappte Plünderer sofort erschossen werden, und nach Punkt 12 ist den Anordnungen des S.u.V.-R.s auch von Zivilpersonen Folge zu leisten, wie denn nach Punkt 19 öberhaupt jeder Disziplin und Ordnung halten soll. Punkt 13 gewährleistet die Aufrechterhaltung des Post- und Telegraphenverkehrs, Punkt 18 die "Aufrechthaltung der Arbeit in den Betrieben mit allen Mitteln", Punkt 16 regelt die Abgabe von Lebensmitteln an Zivil und Militär, Punkt 17 den Straßenverkehr. Diese Bekanntmachung ist gezeichnet: Göttingen, 10. November 1918. Der Garnisonälteste: von Schütz. Stadtverwaltung: Calsow. Soldaten- und Volksrat: Gutmann.

Von heute ab ist dem S.u.V.-Rat Zimmer 20 im Stadthause zur Verfügung gestellt, gleichzeitig von der Kämmereikasse der beantragte Vorschuß von 1000 Mark.

12. November 1918

Rasch wachsen dem S.u.V.- Rat die Geschäfte über den Kopf. Es erscheint deshalb mit denselben drei Unterschriften, wie die vom 10ten, unter dem heutigen Datum eine Bekanntmachung, wodurch alle Militär- und Zivilbehörden angewiesen werden, alle ihnen obliegenden Geschäfte weiterzuführen. Die Bevölkerung habe sich daher stets an die bisher zuständigen Amtsstellen zu wenden und nur dann an den S.u.V.- Rat, wenn begründete Beschwerden vorzubringen sind.

13. November 1918

Major von Schütz sieht sich durch "Vorkommnisse der letzten Tage" genötigt, öffentlich die "dringende Mahnung und Bitte" an die Offiziere der Garnison zu richten, "gegen die Neuordnung der innerpolitischen Verhältnisse keine Gegenmaßnahmen zu veranlassen".

16. November 1918

Der S.u.V.-R. weist in der Presse nachdrücklich darauf hin, "daß niemand, auch keine Militärperson, berechtigt ist, Brot, Fleisch, Kartoffeln und ähnlich rationierte Lebensmittel" ohne Marken zu beziehen. Von erfolgten oder beabsichtigten Plünderungen ist der S.u.V.-R. sofort zu benachrichtigen.

19. November 1918

Erste gemeinschaftliche Sitzung der städtischen Kollegien in Anwesenheit der Mitglieder des S.u.V.-Rs, Fr. Wedemeyer und H. Kargl. - Oberbürgermeister Dr. Calsow äußert sich eingehend über die durch die Vorgänge der letzten Zeit gestellten neuen Aufgaben.

Nach erläuterndem Vortrag von Senator Jenner wird die Schaffung eines Hochwasserbettes für die Leine - Kostenanschlag 1 Millionen Mark - beschlossen.

In den wiederum im Rahmen der bisherigen Kriegshaushaltspläne zu haltenden Haushaltsplan sollen diesmal die Tilgungsquoten und Teuerungszulagen eingestellt werden.

Die s. Zt. für Weihnachtsgeschenke an die 82er bewilligten 18.000 Mark sollen statt dessen zu Liebesgaben für die rund 4500 Verwundeten und Kranken in den hiesigen Lazaretten verwendet werden. - Zur unentgeltlichen Verteilung von Heizmaterialien an die Kriegerwitwen werden 6000 Mark bewilligt.

Bis zur Neugestaltung der Stadtverwaltung soll an den Kommissions-Sitzungen das Mitglied des S.u.V.-Rates Fr. Wedemeyer, in dessen Behinderung Schuhmachermeister W. Hecke, teilnehmen.

20. November 1918

Nachdem am 18. die sämtlichen evangelischen Kirchenvorstände - lutherische und reformierte - zu einem Volkskirchenbund zusammengetreten waren, fand am heutigen Bußtage, abends 8 Uhr, in der überfüllten Jacobikirche die Gründungsfeier des "Volksbundes für evangelisch-kirchliches Leben" statt, die sich zu einer machtvollen Kundgebung evangelisch-kirchlichen Zeitwillens gegenüber den mannigfach drohenden Gefahren der Zeit gestaltete. - Schon nach wenigen Wochen zählte der neue Bund 1250 eingeschriebene Mitglieder.

22. November 1918

Einer Bekanntmachung der Polizeidirektion, des Garnisonältesten und des S.u.V.- Rs zufolge ist hier eine mit Karabiner und Seitengewehr bewaffnete "Volkswehr" gebildet worden.

24. November 1918

Am heutigen Totensonntag würdige Gedenkfeier auf dem Ehrenfriedhofe mit Ansprachen von Sup. Mirow und Pfarrer Nießmann.

25. November 1918

Wegen einer heftigen Grippe-Epidemie, die gerade auch unter den Jugendlichen viele Opfer forderte, mußten nach den Herbstferien die Schulen geschlossen bleiben. Erst heute beginnt der Unterricht wieder.

26. November 1918

Heute Vormittag Verhaftung des S.u.V.-Rs Vorsitzenden Gutmann, weil er eigenmächtig Aufrufe zur Gründung einer freien Republik Hannover hatte anschlagen lassen. Die Plakate werden sofort entfernt.

Nachdem gestern noch wegen einer Monatsvergütung von je 300 Mark für die Mitglieder des S.u.V.-Rs zwischen diesen und dem Magistrat verhandelt worden war, erschien heute Nachmittag eine amtliche Bekanntmachung über die Auflösung des S.u.V.-Rs und die Bildung eines Arbeiter- und Soldatenrates.

Nachmittags 5 Uhr Rückkehr der 82er, namens der Stadtverwaltung von Oberbürgermeister Dr. Calsow begrüßt. Im Namen des Regiments dankt Major von Stosch.

28. November 1918

Auf dem Rathaus erscheinen ein Leutnant und zwei Mann der 82er und verlangen im Namen des Regiments die Hissung der schwarz-weiß-roten Reichsfahne, die nun neben der roten und der Staatsflagge friedlich von den Zinnen des Rathauses weht.

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