Inschriften und Losungen

Der enger werdende Spielraum für die KPD wurde spürbarer. Die Einschränkungen aufgrund der Verordnung vom 4. Februar und der „Reichstagsbrandverordnung“ schränkten die Medien des Widerspruchs merklich ein. Ende Februar fiel es den Polizeibehörden auf, dass sich die KPD in zunehmendem Maße der Schmierpropaganda bedient. Aufschriften an Mauern, Scheunen usw. sollten beseitigt werden.1

Am 24. März wurde auf dem Grundstück des Landarbeiters Karl Heinzelmann eine regierungskritische Inschrift bemerkt. Seine Tochter wurde von der Polizei umgehend angewiesen, die Schrift zu entfernen.2

Im November 1933 wurde ein Schutzhäftling im Gerichtsgefängnis inhaftiert, weil er im Verdacht stand, auf einen Wahlzettel die Worte Hitler verrecke, Heil Moskau geschrieben zu haben.3

Georg Geiser wurde beschuldigt Ende November 1933 in Göttingen einen Kistendeckel mit Bleistift mit einer Parole beschriftet zu haben, die hochverräterischen Inhalts war. Erschwerend kam hinzu, dass sich der Deckel an einem öffentlich zugänglichen Ort befand. Geiser wurde am 23.2.34 vom II. Strafsenat des Oberlandesgerichts in Kasse wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens zu einer Gefängnisstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten verurteilt.4 Nach seiner Entlassung entwickelte Geiser eine beträchtliche Energie. Mitte November des folgenden Jahres wurde er wiederum wegen Anbringens einer Parole (Hitler ist ein Reichstagsbrandstifter) zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.5 (Georg Geiser)

In der Nacht vom 19. auf den 20. Juli 1935 wurde auf der Toilette der Gastwirtschaft "Goldenes G" in der Gronerstraße ein Schriftzug angebracht: Nieder mit Hitler 20.7.35 wir kriegen schon. Die Schrift wurde mit Tintenstift ausgeführt, die Ermittlungen nach dem Täter verliefen ergebnislos.6

Von der SS wurde am 24. März 1936 der Polizei gemeldet, daß auf dem Albanifriedhof von staatsfeindlichen Elementen geschmiert worden wäre. Verschiedene Grabsteine seien mit der Kreideaufschrift Rot Front lebt versehen worden. Auch hinter dem Stadtpark waren Parolen angebracht worden.

Die Polizei hatte Kinder oder Jugendliche im Verdacht und forderte die Tagesstreifen zu höherer Wachsamkeit auf.7

Losungen und Parolen konnten auch in versteckter Form auftauchen, manchmal so versteckt, dass man sie nur mit Glück wahrnehmen konnte. In einem Karton Hoffmann's Reisstärke, der bei dem Kaufmann Friedrich Quanz, Bürgerstraße, am 11. April 1938 erworben wurde, war der Verpackungsboden mit einem Schriftzug versehen: Mein Kampf? Hitler geht auf die Dörfer. Dieser konnte nach Mutmaßungen der Polizei nur in der Packstube der Stärkefabrik Hoffmann dort angebracht worden sein.8

Ludwig Dette, der Ortsgruppenleiter der NSDAP-Ortsgruppe "Sültebeck" meldete am 2. August 1940, dass wahrscheinlich während der letzten Nacht, an einer Umfassungsmauer des Grundstücks Ludendorffring 25, mit Kreide, die Aufschrift "Hitler der Mörder Europas" angebracht wurde.9 Zwar wurden die Ermittlungen sofort aufgenommen und die Stapo-Außendienststelle eingeschaltet. Diese führten aber nicht zu einer Identifizierung eines möglichen Verursachers.

Einen Monat später fand man erneut eine Inschrift vor. Am Morgen des 5. September ging ein Anruf bei der Ortspolizei ein, die diese auf eine Inschrift auf einem Bretterzaun des Grundstücks Bahnhofsstraße 8 auf der Seite des Schlachthofwegs hinwies. Die mit Kreide angebrachte Aufschrift lautete: Schuld am Krieg ist Hitler. Auch in diesem Fall blieben die Ermittlungen ergebnislos.10

Der Göttinger Felix Tuczynski wurde durch ein Urteil des Oberlandesgerichts Celle beim Landgericht Hannover am 12. März 1943 wegen Verbrechen gegen die Rundfunkverordnung zu 2 Jahren Zuchthaus verurteilt. In der Urteilsbegründung spielte sein Tagebuch eine wichtige Rolle. Darin notierte er zum 24. Januar 1942: Bei Sartorius soll ein Schild gehangen haben: Nieder mit dem Bluthund Hitler. 11



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Quellen:

Gefangenenpersonalakte Felix Tuczynski: Zuchthaus Celle. Hauptstaatsarchiv Hannover, Hann. 86 Hameln Acc. 143/90 Nr. 4477.

Gefangenenpersonalakte Georg Geiser: Strafgefängnis Hameln. Hauptstaatsarchiv Hannover, Hann. 86a Hannover Acc. 2000/057 Nr. 234.

KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir., Fach 155, Nr. 1a.

Verächtlichmachung der Reichsregierung. Stadtarchiv Göttingen, Pol.Dir., Fach 31a, Nr. 8.

Verordnung über Verhängung des Ausnahmezustandes und Schutz der Republik: Schutzhaft. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir., Fach 31a, Nr. 2, Bd. 1.



1KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei, S. 108-108v, Reg.Präs. Hildesheim an Ortspolizei, KPD-Graffiti, 27.2.1933.

2Ebenda, S. 110, Ortspolizei Bericht Plakate, 24.3.1933.

3Verordnung über Verhängung des Ausnahmezustandes und Schutz der Republik, S. 214, Meldung Schutzhäftlinge 21. November 1933.

4KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei, S. 278, Ortspolizei an Stapo-Stelle Hannover, Zersetzungstätigkeit, 27.6.1934.

5Gefangenenpersonalakte Georg Geiser, S. o.pag. 1, Stammblatt Georg Geiser.

6Verordnung über Verhängung des Ausnahmezustandes und Schutz der Republik, S. 424, Anzeige gegen Unbekannt wegen staatsfeindlicher Betätigung, Parole, 23.7.1935.

7KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei, S. 342, Vollzugspolizei, Bericht Schmierereien, 24.3.1936.

8Verächtlichmachung der Reichsregierung, S. 443, 12.4.1938 – Ortspolizei an Stapo-Stelle Hildesheim.

9Ebenda, S. 448, 2.8.1940 - Aufschrift Grundstück Ludendorffring 25 - Ortspolizei an Stapo-Außenstelle.

10Ebenda, S. 449, 5.9.1940 - Aufschrift Zaun Bahnhofstr. 8 - Ortspolizei an Stapo Hildesheim -Außendienststelle Göttingen.

11Gefangenenpersonalakte Felix Tuczynski, S. 20v, 12.3.1943 Urteil gegen Tuczynski, Vater und Sohn.

Rainer Driever