Chronik für das Jahr 1909

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2. Februar 1909

Stadtsyndikus Dr. Arnold wird zum Stadtrat in Magdeburg gewählt. Zum Nachfolger wählte der Wahlkörper der städtischen Kollegien am 3. März 1909 einstimmig den rechtskundigen Senator der Stadt Osnabrück, Dr. Sempell.

3. Februar 1909

Starker anhaltender Schneefall. Auf dem Hainberge liegt eine 30 cm starke Schneedecke bei -5 Grad. Der Boden war gefroren. Plötzlich eingetretenes Tauwetter mit ununterbrochenen Regenfällen führt Hochwasser herbei. Die Leine tritt in der Nacht vom 3./4. Februar aus ihren Ufern. Mit großer Schnelligkeit steigt das Wasser. Gegen 8 Uhr morgens zeigt der Pegel der Leinebrücke (Angabe fehlt). Gegen Mittag dringt das Wasser in die Straßen der Weststadt, so daß ein Straßenverkehr unmöglich wird. Im Rosdorferwege, Schieferwege, Leinestraße pp. können die Einwohner nur auf Kähnen das Haus verlassen. Besonders bedrohlich gestaltet sich die Lage der Bewohner der Stichnothschen Waschanstalt und der Maschmühle. Erstere werden durch das mutvolle Vorgehen des Bürgervorstehers, Tischlermeister Lambach, der nebst einigen anderen mutvollen Bürgern bis zum Stichnothschen Hause auf einem primitiven Kahn vordringt, gerettet.

Auf telephonisches Ersuchen trifft am Abend des 4. Februar ein Kommando des Pionierbatallions Nr. 11 aus Münden, bestehend aus dem Leutnant Heumann und 30 Mann ein. Das hiesige Garnison-Kommando überweist ein Bataillon zur Hülfeleistung. Von Hannover wird eine Dampfspritze zum Auspumpen der Keller und Wohnungen zur Verfügung gestellt. Ein Ausschuß der städtischen Körperschaften, verstärkt durch andere angesehene Mitbürger, tritt unter Vorsitz des Oberbürgermeisters sofort zu einer Sitzung zusammen. Es wird eine Hilfsstelle zur Verabreichung von Lebensmitteln und Kleidungsstücken pp. im Einquartierungshause an der Geiststraße eingerichtet. Den vom Verkehr abgeschnittenen Einwohnern werden durch das Pionierkommando und Mitglieder der städtischen Kollegien Lebensmittel in die Wohnung gebracht. Schwangere Frauen werden unter großen Schwierigkeiten aus den Wohnungen geholt und der Fürsorge der Gemeinde-Krankenpflege überwiesen. Die westliche Volksschule wird für obdachlos gewordene Überschwemmte eingerichtet.

Ein zur Bewachung der Militär-Schießstände unweit der Maschwiesen stationiertes Kommando unseres Infanterie-Regiments, bestehend aus einem Gefreiten, 3 Mann, wird vom Leutnant Scheidemann und dem Vizefeldwebel Göbel unter Lebensgefahr gerettet.

Eine zu Gunsten der geschädigten Einwohner sofort eröffnete Sammlung ergibt bereits in den ersten 3 Tagen die Summe von 5.566 Mark, Hunderte von Kleidungsstücken werden geliefert.

Die von den städtischen Kollegien niedergesetzte Kommission zur Feststellung des Umfanges der Wasserschäden beginnt ihre Tätigkeit.

Auf den von den Fluten betroffenen Straßen ist der Steinschlag hinweggespült, in den gärtnerischen Anlagen am Groner- und Alleetore ist das Erdreich zum Teil einhalb Meter tief weggeschwemmt, auf den Äckern und Gärten des vom Hochwasser betroffenen Gebiets ist die Einsaat, in den Gewächshäusern der Gärtner sind die Blumen vernichtet. Der Gesamtschaden wird auf 325.000 Mark ermittelt.

Die Kollegien bewilligen 100 Mark für die Beschaffung eines Pontons, der in erster Linie bei Wassernot benutzt werden soll.


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