Die Internationale Bibelforscher-Vereinigung (IBV)

Die Internationale Bibelforscher-Vereinigung wurde in den 1870er Jahren von dem US-amerikanischen Prediger Charles Taze Russell gegründet, seit 1879 wurde der Watch Tower (Wachtturm) als Publikation vertrieben. Seit 1931 benutzt die Vereinigung den Namen Jehovas Zeugen, in den Akten findet sich weiterhin der alte Name Ernste Bibelforscher. Ein Schwerpunkt ihrer Aktivitäten ist die Missionstätigkeit (Vorträge und Verkauf des Wachtturms), wodurch sie im öffentlichen Raum gut wahrnehmbar waren. Seit Mitte der 1920er Jahre findet man Spuren der Glaubensgemeinschaft in den Polizeiakten.

Kriminalsekretär Theodor Griethe, bei der Göttinger Kriminalpolizei mit dafür zuständig, politische wie nichtpolitische Organisationen zu überwachen, schrieb im April 1932: (...) die ernsten Bibelforscher, die hier nur einige Anhänger haben, sind seit den öffentlichen Vorträgen im April und Mai d.Js., die zuletzt nur noch von 25-30 Personen besucht waren, nicht mehr hervorgetreten. Sie bilden nur eine lose Gemeinschaft von wenigen Personen, die ihre Zusammenkünfte (…) in Grone bei einem Anhänger der Sekte haben.1

Die Zeugen Jehovas wurden zunächst wegen ihrer Glaubenspraxis verfolgt und teilweise – allerdings nicht in Göttingen - in Schutzhaft genommen. Zudem teilten sie das Schicksal der politisch Verfolgten: Sie verloren meist ihre Arbeit, neue fanden sie häufig im Vertretergewerbe.

Religiöse Vorschriften und ihr expliziter Bezug auf die Bibel führten dazu, dass die Zeugen Jehovas die „neuen Anforderungen“ der Volksgemeinschaft nicht erfüllten. Sie verweigerten Beitritte zu Reichsluftschutzbund und Deutscher Arbeitsfront. Zudem leisteten keine Eide, nahmen nicht an Wahlen teil und verweigerten den Deutschen Gruß. Zwischen den Bibelkreisen bzw. einzelnen Zeugen Jehovas in Grone, Hann-Münden, Northeim, Einbeck und Großlengden verkehrten Kuriere, die den verbotenen Wachtturm und verschiedene Flugblätter transportierten. Nach einer Flugblattaktion der Bibelforscher im Dezember 1936 erfolgten Verhaftungen, die in Göttingen, Northeim und Einbeck 1937 zu Verurteilungen führten.



1Stadtarchiv Göttingen, Pol.Dir., Fach 61, Nr. 15, Bl. 15. Ihre Veranstaltungen waren z.T. sehr gut besucht, z.B. die Veranstaltung im großen Saal des Stadtparks am 24.4.1931 von 500 Personen. (Ebd., Bl. 19).

Rainer Driever