Sabotage
„Sabotage“ wurde durch die neuen Machthaber sehr weit gefasst. Unter dem Begriff wurden oft Handlungen verstanden, die sich von der heutigen Auffassung deutlich unterschieden.
So
richtete die neu eingerichtete
Landesstelle Niedersachsen für
Volksaufklärung und Propaganda am 17. November 1933 eine Anfrage
an die Stapo-Stelle Hannover. Es ging ihr um die Aktivitäten des
Studienrats Dr. Weber aus Göttingen, wohnhaft im Hainholzweg,
und W. Schönleitner aus Hannover. Sie bat um eine Durchsuchung,
da beide seit Monaten die NSDAP
unterminiert haben und der Sabotage und Korruption verdächtig
sind.
Gegen Weber bestand der Verdacht, nach dem 30. Januar 1933 als Leiter der Provinziallichtbildstelle, einer halbamtlichen Dienststelle in Hannover, gegen die Regierung gearbeitet sowie die SPD unterstützt zu haben. Zudem hätte sich Weber als Schulreferent für die Landesfilmstelle der NSDAP in diese eingeschlichen, ohne selbst Mitglied zu sein.1 Weber hätte bis zum 24. April mit der SPD in Verbindung gestanden und dieser sogar Tonfilmapparate und Filme der Proviziallichtbildstelle zur Verfügung gestellt. Die Aufgabe der Provinziallichtbildstelle wäre es nicht, Spielfilme, marxistische Hetzfilme und dergleichen politischer Organisationen und Verbände für diese vorzuführen. Aus dem bei der Durchsuchung am 25 November beschlagnahmten Material sei zudem die Sabotage der Arbeit und Bemühungen der Reichsregierung um den Wiederaufbau einwandfrei festzustellen,2 Verstöße gegen Gesetze und Verordnungen lägen aber nicht vor.3
Sabotagehandlungen
wurden auch auf den großen Baustellen, z.B. an den Autobahnen,
verfolgt. Der Arbeiter Heinrich Fischer wurde
am 8. November 1933 wegen Miesmacherei und Sabotagehandlungen auf der
Arbeitsstelle in Bischhausen (Abhalten Freiwilliger von der Arbeit
und indirekte Aufforderung zur Niederlegung der Arbeit) in Schutzhaft
genommen und am 14. Dezember 1933 in das Konzentrationslager
Lichtenburg überführt. Von dort wurde er am 23. Februar
1934 in das Konzentrationslager Papenburg überwiesen.4
Heinrich
Fischer wurde nach sechs Monaten Haft am 8. Juni 1934 nach Göttingen
entlassen.5
Für
den Dezember 1935 berichtete die Staatspolizeistelle Hildesheim an
das Geheime Staatspolizeiamt in Berlin:
Auf der Reichsautobahnstelle in Atzenhausen wurde von einigen
Personen versucht, arbeitswillige Leute zur Sabotage und Meuterei
gegen ihre Arbeitgeber aufzufordern. Insgesamt wurden 5 Personen,
darunter die Haupträdelsführer, festgenommen. Es handelt
sich hier um arbeitsunwillige Elemente, die in ihrer politischen
Gesinnung der KPD noch heute nahestehen und teilweise ehemalige
Mitglieder der KPD sind.6
Die Internationale Transportarbeiter-Föderation verbreitete im September 1943 einen Aufruf an die deutschen Eisenbahner. Die ITF war in Deutschland und im besetzten Europa mit illegalen Gruppen präsent, von der eine auch im Bereich des Reichsbahnausbesserungswerks in Göttingen arbeitete. Der Aufruf enthält die Aufforderung zur Sabotage des Eisenbahnnetzes als wichtigem Teil der deutschen Kriegführung. Er schließt mit den Worten: Eure Genossen in der ganzen Welt erwarten von euch, dass ihr eure Pflicht tun werdet. Helft ihnen, die Voraussetzung des Friedens zu schaffen: die Zerstoerung der Nazi-Kriegsmaschine.7 (Sabotageaufruf an die deutschen Eisenbahner PDF)
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Literatur und Quellen:
Durchsuchungen und Festnahmen: Verfolgung Systemgegner. Stadtarchiv Göttingen, Pol.Dir., Fach 31a, Nr. 9.
Internationaler Jugend-Bund (IJB) / Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK), Aktengruppe: ISK, Korrespondenz B (1933 - 1946): Emigration: Briefe, Berichte. Archiv der sozialen Demokratie.
Mlynek, Klaus (1986): Gestapo Hannover meldet--. Polizei- und Regierungsberichte für das mittlere und südliche Niedersachsen zwischen 1933 und 1937. Hildesheim: A. Lax (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen XXXIX, Niedersachsen 1933-1945, Bd. 1).
Verordnung über Verhängung des Ausnahmezustandes und Schutz der Republik: Schutzhaft. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir., Fach 31a, Nr. 2, Bd. 1.
1Durchsuchungen und Festnahmen, S. 121, 17.11.1933 - Landesstelle Niedersachsen für Volksaufklärung und Propaganda an Stapo-Stelle Hannover.
2Ebenda, S. 131–132, Landesstelle Niedersachsen für Volksaufklärung und Propaganda an die Stapo-Stelle Hannover, 21.12.1933, vorläufiger Bericht zu Dr. Weber.
3Ebenda, S. 127–130, Abschrift Stapo-Stelle Hannover, Durchsicht des Materials Dr. Weber, 28.12.1933.
4Verordnung über Verhängung des Ausnahmezustandes und Schutz der Republik, S. 341, Ortspolizei an Regierungspräsidenten, Schutzhäftlinge, 19.3.1934.
5Ebenda, S. 228, Meldung Schutzhäftlinge 11.6.1934.
6Mlynek 1986, S. 481, Lagebericht der Staatspolizeistelle Hildesheim an das Geheime Staatspolizeiamt Berlin für den Monat Dezember 1935 / 7. Januar 1936, GStA: Rep. 90-P Nr. 3, H. 4.
7Internationaler Jugend-Bund (IJB) / Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK), Aktengruppe: ISK, Korrespondenz B (1933 - 1946), S. 2, 12.9.1943, Aufruf Eisenbahner.
Rainer Driever