Wilhelm Wendt

wurde am 21.10.1891 in Gadenstedt geboren. Er hatte in den 1920-er Jahren als Lehrer gearbeitet und wohnte in Varlosen.

Vom 16. Februar bis zum 31. März 1934 war Wendt im Gerichtsgefängnis Göttingen wegen politischer Umtriebe in Schutzhaft.1

Am 3. November 1935 wurde Wendt vom Gendarmerieposten in Bühren wegen Verächtlichmachung der Reichsregierung angezeigt. Im Kern ging es um die Gleichstellung der Reichsflagge mit der internationalen roten Fahne.

Ortsgruppenleiter Wilhelm Döring, Bühren, sagte dazu aus: Am 1. November 1935 abends kam der oben bezeichnete Wendt in meine Wohnung, um Rat zu suchen, bei welcher Behörde er den wegen Hochverrats in die Untersuchungshaft genommenen Michalski entlasten (könne). Michalski war Gewerkschaftssekretär bei der S.P.D. in Hann. Münden. Wendt behauptete, Michalski wäre unschuldig. Bei dieser Gelegenheit erklärte er, daß er von den Umtrieben der Kommunisten in Münden gewusst habe, da ihm in der Stadt auch ein Flugblatt unauffällig in die Hand gedrückt worden wäre. Von wem er es bekommen habe, gibt er nicht an. Er habe das betreffende Flugblatt aber in den Ofen gesteckt, weil er nichts damit zu tun haben wollte.

Ferner habe er seine alten S.P.D.-Freunde aufgesucht und gewarnt, sich nicht mit den Kommunisten einzulassen; denn bei dieser Militärmacht wäre es Blödsinn. Michalski habe ihm versichert, (daß er) nichts damit zu tun habe. Im weiteren Verlauf der Unterredung erklärte Wendt: “Ihr seid uns ja mit der roten Fahne mächtig entgegengekommen, unsere Fahnen sind ja jetzt gleich. Ich könnte sie ja auch raushängen, es fehlt mir aber das Dingsda drin, ich nenne es Kartoffelroder.” Damit meinte er das Hakenkreuz.

Ich erblicke in dieser Äußerung “Gleichstellung der Reichsflagge mit der internationalen roten Fahne”, eine Verächtlichmachung unserer Reichs- und Nationalflagge.2

Am 9. Februar 1936 wurde Wendt in das Gerichtsgefängnis Göttingen eingeliefert und ein Verfahren wegen Beschimpfung der Reichsflagge eingeleitet. Da diese aber nicht öffentlich geschehen war, wurde das Verfahren eingestellt und seine Untersuchungshaft endete am 2. März.3 Während der Untersuchungshaft wurde Wendts Verbindung mit dem in Hann. Münden wohnhaften und wegen Vorbereitung zum Hochverrat verurteilten Heinrich Schütz deutlich. Von diesem sollte er ein Flugblatt erhalten haben, das Wendt aber vernichtet haben will. Schütz war Angeklagter im Prozess gegen den ISK, der am 29. April 1936 stattfand. Da seinerzeit aber das Ermittlungsverfahren Karl Gries noch nicht abgeschlossen war (der Prozess gegen den Hann. Mündener ISK fand am 28. Juli 1936 statt), wurde Wendt wegen bestehender Verdunkelungsgefahr ab dem 3. März 1936 auf die Dauer von 3 Monaten in Schutzhaft genommen, aber bereits am 20. April 1936 gemäß einer Verfügung des Gestapa Berlin entlassen.4

Die Stapo-Stelle Hildesheim verfügte am 16. April 1936 an den Landrat: Ich bitte, die für Wendt zuständige Ortspolizei – seine Wohnung befindet sich in Varlosen – anzuweisen, dass Wendt entsprechend überwacht wird. Außerdem ersuche ich, auf die Dauer von 3 Monaten dem Wendt eine Auflage zu erteilen, wonach er sich täglich zu einer von dort festzusetzenden Zeit auf der Polizei zu melden hat und seinen Wohnort nur mit Genehmigung der Polizeibehörde verlassen darf. Nach Ablauf von 3 Monaten bitte ich, selbständig zu prüfen, ob die Auflage aufgehoben werden kann. Gegebenenfalls ist mir von einer beabsichtigten Verlängerung unter Angabe der Gründe Mitteilung zu machen. Die Verfügung wurde am 22. Juli 1936 aufgehoben.5

Die Stapo-Stelle Hildesheim wandte sich kurz vor Ablauf der Überwachungsverordnung noch einmal an den Landrat: Aus der bisherigen Bearbeitung (von) mehrfachen Einzelvorgängen gegen Wendt habe ich ersehen, daß die schlechten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu den politischen Vorfällen beigetragen haben; zumal Wendt in Varlosen bei Bevölkerung infolge seiner früheren politischen Einstellung sehr verhasst ist und dieserhalb allgemein den Spitznamen “Der rote Diktator von Varlosen” führt. (Deshalb) bin ich (...) zu dem Entschluss gekommen, von dort aus zu versuchen, Wendt eine geeignete Tätigkeit am Straßenbau der Reichsautobahn pp. zu verschaffen.6



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Literatur und Quellen:

Schumann, Wilhelm (1973): Ihr seid den dunklen Weg für uns gegangen … : Skizzen aus dem Widerstand in Hann. Münden 1933 - 1939. Frankfurt/Main: Röderberg-Verlag.

Schutzhaft und politische Polizei Hann. Münden I. Kreisarchiv Göttingen, LA HMÜ 94.



1Schumann 1973, S. 109, 16.2.1936 - Stapo-Stelle Hildesheim an Gestapa - Festnahme Willi Wendt aus Varlosen, Hochverrat, ISK.

2Schutzhaft und politische Polizei Hann. Münden I, S. 57, 3.11.1935 - Gend.Posten Bühren an Landrat u. Stapo-Stelle Hildesheim - Anzeige gegen Willi Wendt.

3Schumann 1973, S. 109, 16.2.1936 - Stapo-Stelle Hildesheim an Gestapa - Festnahme Willi Wendt aus Varlosen, Hochverrat, ISK.

4Schutzhaft und politische Polizei Hann. Münden I, S. 61-61v, 11.7.1936 - Stapo-Stelle Hildesheim an Landrat - Willi Wendt.

5Ebenda, S. 59, 16.4.1936 - Stapo-Stelle Hildesheim an Landrat - Schutzhäftling Willi Wendt.

6Ebenda, S. 61-61v, 11.7.1936 - Stapo-Stelle Hildesheim an Landrat - Willi Wendt.

Rainer Driever