Karl Kleinkauf

wurde am 25.12.1899 in Göttingen geboren. Er wohnte in der Holtenser Landstraße und arbeitete im Reichsbahnausbesserungswerk.

Im April 1944 wurde er von seiner ehemaligen Verlobten Helene Beck bei der Kreisleitung denunziert. Sie beschuldigte Kleinkauf, immer wieder einen ausländischen Sender zu hören. Das Gehörte bespräche er dann im sogenannten Kreise seiner engsten Kameraden. Auch sollte er den gefangenen Russen auf seiner Arbeitsstätte Kartoffeln im Tausch für Räucherwaren gegeben haben.1

Diese Denunziation wurde von der Kreisleitung noch Ende April 1944 an die Stapo-Außendienststelle Göttingen weitergeleitet.2 Diese verfolgte die Sache als Vergehen gegen die Rundfunkverordnung, ließ sich aber mit der Bearbeitung Zeit. Erst im August lud sie Helene Beck vor. Diese gab bei ihrer Vernehmung an: (…) Mit dem Genannten war ich vom 31.10.1943 bis Anfang März 1944 verlobt. (…) Ich bestätige, daß Kleinkauf wiederholt Feindsender abgehört hat. (Er tat dies) erstmalig zwischen Weihnachten 1943 und Neujahr. (Er hätte ihr gegenüber erklärt,) seine Arbeitskameraden, mit denen er diese Nachrichten bespricht, seien durchaus zuverlässig, er könne sich auf sie verlassen, und würden sie ihn niemals verraten. (Kleinkauf nannte Beck gegenüber) namentlich den August Hettenhausen aus Bovenden. (Mein ehemaliger Verlobter) erklärte mir, daß er diese (Kartoffeln) bei den Russen für Rauchwaren eintauscht. Zudem wurde Kleinkauf von Beck in ihrer Aussage beschuldigt, kleinere Diebstähle zu begehen.3

Zehn Tage später wurde Karl Kleinkauf von der Stapo-Außendienststelle vorgeladen und vernommen. Er gab den Beamten gegenüber an: (...) Auf Vorhalt gebe ich zu, mit meinem Rundfunkempfangsgerät – Volksempfänger – etwa 2 bis 3 mal in meiner Wohnung einen Auslandssender, und zwar den Sender Calais, eingestellt und abgehört zu haben. (Diesen zu finden) ist sehr leicht, da er unmittelbar neben dem Sender Leipzig liegt. (…) Bei dem Abhören von Feindsendern war Frl. Beck 2 bis 3 mal zugegen. Während ich in weiteren Fällen stets allein abgehört habe.
(…)
Ich gebe zu, Rohkartoffeln nach meiner Arbeitsstelle mitgenommen und sie einem russ. Ostarbeiter gegeben zu haben. Als Gegenwert erhielt ich jeweils etwas Tabak. Mit sowjetr.(ussischen) Kgf. (Kriegsgefangenen) oder solchen anderer Länder habe ich einen gleichen oder ähnlichen Tausch nicht vorgenommen.4

Die Angelegenheit wurde an die Staatsanwaltschaft abgegeben, die die Verfahren wegen Tauschs einstellte, da dieser unter letzten Verbrauchern vorgenommen ist. Bei den Russen handelte es sich nach der unwiderlegten Angabe des Beschuldigten um einen Ostarbeiter und nicht um einen Kriegsgefangenen. Die Beschuldigungen wegen Diebstahls wurden entkräftet.5

Es blieb das Hören von Feindsendern. Wegen Abhören des englischen Senders in 5 oder 6 Fällen wurde im September 1944 ein Strafantrag von der Stapo-Stelle Hannover gestellt.6

Erst am 21. Februar 1945 fand die öffentliche Sitzung des Sondergerichts, Abt. 3, in Göttingen gegen Karl Kleinkauf statt.7 Am zweiten Verhandlungstag (27.2.) wurde er wegen Hörens von Feinsendern in (…) gelegentlichen Fällen, in denen er seiner Neugier erlegen ist (…) zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr verurteilt.8 Ob es den Justizbehörden noch gelang, Kleinkauf in ein Strafgefängnis zu überführen, ist wegen des nahen Kriegsendes fraglich.



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Quelle

Sondergerichtssachen Karl Kleinkauf Göttingen. Hauptstaatsarchiv Hannover, Hann. 171a Hannover Acc. 197/83 Nr. 1032.



1Sondergerichtssachen Karl Kleinkauf Göttingen, S. 1–3, April 1944, Brief Helene Beck an Kreisleiter Denunziation Kleinkauf.

2Ebenda, S. 4, 27.4.1944, Kreisleitung an Außendienststelle Göttingen – Kleinkauf.

3Ebenda, S. 5, 21.8.1944, Außendienststelle Göttingen Vorladung Helene Beck.

4Ebenda, S. 9, 1.9.1944, Stapo-Leitstelle Hannover Außendienststelle Göttingen Vorladung des Kleinkauf.

5Ebenda, S. 13, September 1944, Staatsanwaltschaft.

6Ebenda, S. 14, 7.10.1944, Sondergerichtsanklage gegen den Hilfsschlosser Karl Kleinkauf.

7Ebenda, S. 18, 27.2.1945, Öffentliche Sitzung des Sondergerichts, Abt. 3 in Göttingen.

8Ebenda, S. 20, 27.2.1945, Urteil gegen Kleinkauf.

Rainer Driever