Waffen

Die Rolle von Waffen bei den Aktionen des Widerstands in Göttingen ist zu vernachlässigen. Auf Seiten der Polizei spielte sie allerdings eine nicht unerhebliche Rolle. Die permanenten Warnungen der vorgesetzten Stellen vor Waffen und Plänen von Überfällen waren geeignet, ein paranoides Klima bei den Beamten zu schaffen. So wurde bei den Durchsuchungsaktionen immer auch nach Waffen Ausschau gehalten, aber nur in den wenigsten Fällen wurde die Polizei fündig. Bei den hier genannten Fällen wurden alle Funde berücksichtigt, ungeachtet der politischen Einordnung durch die Polizei.

Bei den Auseinandersetzungen mit der SA vor 1933 spielte Bewaffnung durchaus eine Rolle. Karl Wagner war zunächst KPD-Mitglied, seit 1927 aber in der Jugendgruppe des ISK und bei den Freidenkern tätig. Er erinnert sich: Ich kann mich erinnern. Hitler hat mal hier geredet in Göttingen. Da haben wir uns bewaffnet und haben im Volksheim, im Konsum, alles, was zu den Sachen der Arbeiter gehörte. Haben da gesessen und gewartet. Wenn die Brüder von Hitler aufgeputscht und gekommen wären, stellt euch vor, was da … (passiert sein könnte, RD).1 Wie diese Bewaffnung aussah, lässt sich nur vermuten. Manchmal kam man auch eher ungewollt in deren Besitz. Ebenfalls Karl Wagner erinnert sich an eine Aufführung der Theatergruppe des Freidenkerverbandes: Ich habe doch erzählt, daß wir die "Matrosen von Kattowitz" (gemeint ist „Die Matrosen von Cattaro“ von Friedrich Wolf, RD) gespielt haben. Das war doch ein ganz radikales Antikriegsstück. Das haben wir sogar nach dem 11. Januar aufgeführt in Hann. Münden. (…) Und da haben wir ja, da wir als Soldaten auftreten mußten, mußten wir Gewehre haben bei der Aufführung. Die haben wir uns vom Arbeiterschützenbund geborgt. Und da waren die Nazis schon am Ruder, und die wollten die Gewehre gar nicht wiederhaben... Die wußten gar nicht, wohin damit ...2

In dieser Not befanden sich auch einige KPD-Mitglieder. Adolf Reinecke hatte im Herbst 1932 einige Gewehre für die KPD Göttingen angeschafft. Diese versteckte er zusammen mit Gustav Weiss und Gustav Kuhn im April 1933 in einem kleinen Waldstück auf dem Kleinen Hagen. Kurz darauf lagerte er sie noch einmal, diesmal professioneller verpackt, in einen Kleingarten um. Die Kiste mit den Waffen wurde anlässlich der Verhaftungen zum Prozess gegen Göttinger Kommunisten im August 1937 ausgegraben und sichergestellt.3

Beschlagnahmungen 1933

Bei dem Maurer August Hampe (Schutzhaft vom 10. 4 – 11.4.1933) wurde am 10.4.1933 Haussuchung durchgeführt, bei der in seinem Hause gefundene Schriften sowie 3 Karabinerpatronen beschlagnahmte wurden. Anlass war der Umstand, dass Hampe als Mitglied der KPD bekannt war und zudem für die Gottlosenbewegung arbeitet.4 (Haussuchung Hampe PDF)

Am selben Tag durchsuchte die Polizei gemeinsam mit der SS das Waldheim der reformierten Gemeinde, das Ritterheim Heimburg (Loge), die um den Rohns befindlichen Keller und das Waldheim der Knabenmittelschule nach Waffen. Beschlagnahmt wurde dabei ein unbrauchbarer Trommelrevolver.5

Folgerichtig wurde im Bericht der Polizei an den Regierungspräsidenten am 26. Mai 1933 angegeben, dass Sprengstoffe und Waffen nicht aufgefunden wurden.6

Am 2. Mai 1933 folgte eine Durchsuchung bei Max Debray im Maschmühlenweg nach kommunistischen Schriften und Waffen. Dies führte zur Beschlagnahmung eines alten Jagdgewehres, von dem Debray angab, es vor einiger Zeit in der Leine gefunden zu haben. Der Zustand der Waffe sprach für diese Version.7 Die Waffe wurde lediglich als Wandschmuck benutzt, Debray selbst war nicht im Besitz von Munition.8

Drei Tage später wurde bei dem Arbeiter und ehemaligen KPD-Mitglied Heinrich Fischer im Ebertal ein Seitengewehr beschlagnahmt (Ausführung Karabiner 98). Am 19. Juni traf es Hugo Dornieden, der ebenfalls im Ebertal wohnte. Seine Mauserpistole wurde beschlagnahmt, weil er Angehöriger und Funktionär der KPD gewesen war. Die Pistole wurde dem Nachrichtendienst der NSDAP in Verwahrung gegeben.9

Eine am 26. Mai 1933 vorgenommene Haussuchung bei dem Zahnarzt Alfred Kube erbrachte, neben Briefen, auch die Beschlagnahmung von Kubes Mehrladepistole. Er gab an, diese seit seiner MIlitärzeit in Besitz zu haben.10

Auf der Suche nach dem flüchtigen Paul Gmeiner wurde am 10. Juli auch die Wohnung des inhaftierten Fritz Schaper im Maschmühlenweg durchsucht. Auf dem Dachboden wurden ein Gummiknüppel und ein Kavalleriesäbel gefunden und beschlagnahmt.11 Liddy Schaper gab bei der Vernehmung an, dass ihr Mann den Säbel bereits seit 5 Jahren im Besitz habe, über den Gummiknüppel wusste sie nichts zu sagen.12

Am 30. August 1933 wurde die Wohnung von Willi Weber am Kornmarkt wegen des Verdachtes auf illegale Schriften ergebnislos durchsucht. Vorausgegangen war ein Vorfall in der Gastwirtschaft Meiß in der Langen Geismarstraße am 27. August, der anscheinend den Anlass für die Aktion bildete. Bei der Aktion gefunden und beschlagnahmt aber wurden ein Dolch sowie Abzeichen der NSDAP-Frauenschaft. Weber gab an, den Dolch noch aus seiner Militärzeit zu besitzen, das Abzeichen sollte seiner Mutter gehören. Diese war von 1921 bis zu ihrem Tod Mitglied der NSDAP-Frauenschaft.13

Wahrscheinlich vor dem Hintergrund der Verhaftungen im November 1936 und Februar 1937, die zum Prozess gegen sieben Göttinger Kommunisten führten (Urteil Göttingen 14.9.1937 PDF), geriet auch August Stapel ins Visier der Polizei. Stapel war Sympathisant des ISK und Mitglied im Freidenkerverband. Er wurde am 7.März 1937 in den frühen Morgenstunden von der Gestapo verhaftet. Einige seiner Schallplatten und Bücher wurden beschlagnahmt und Stapel wurde in das Gestapobüro in der Prinzenstraße gebracht (heute Deuerlich bzw. Hugendubel, Weender Straße 33). Nach Aufnahme seiner Personalien wurde er von zwei SS-Leuten nach Einbeck gebracht. Nach einer Woche Haft wurde Stapel zu den Vorgängen am Moosberg (Nachtübung der ANTIFA 1932) befragt. Zudem wurde ihm, auf eine Denunziation hin, Waffenhandel zur Last gelegt. Stapel hatte zwar sich und seinem Bruder je eine Pistole verschafft, gab aber nur an, seine Pistole in eine Kiesgrube geworfen zu haben. Nach sechs Wochen wurde er aus der Haft im Gerichtsgefängnis Einbeck entlassen.14



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Quellen:

Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in der Übergangszeit. Stadtarchiv Göttingen, Pol.Dir., Fach 31a, Nr. 4.

Durchsuchungen und Festnahmen: Verfolgung Systemgegner. Stadtarchiv Göttingen, Pol.Dir., Fach 31a, Nr. 9.

Interview August Stapel (21.01.1977). Stadtarchiv Göttingen, Dep. 77 I Nr. 90 (Popplow-Box).

Interview mit Karl Wagner (13.04.1984). Archiv Dr. Joachim Bons, ohne Signatur. Interview von Joachim Bons, durchgeführt von Viola Denecke.

KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir., Fach 155, Nr. 1a.

KPD Göttingen - Beschlagnahme und Einziehung des kommunistischen Vermögens. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir., Fach 31a, Nr. 11.

Nachlass des Arbeiters Karl Meyer, Göttingen: politische Haft. Stadtarchiv Göttingen, Kleine Erwerbungen Nr. 76.



1Interview mit Karl Wagner 13.04.1984, S. 1

2Ebenda, S. 1

3Nachlass des Arbeiters Karl Meyer, Göttingen, S. 1 / 12, Der Generalstaatsanwalt, O.Js. 284/36, Kassel, den 3. August 1937, Anklageschrift.

4Durchsuchungen und Festnahmen, S. 13-13v, 10.4.1933: Schutzhaft August Hampe, Gronerlandstraße 37b wegen Verdachts staatsgefährlicher Umtriebe.

5Ebenda, S. 18, Ortspolizei: Bericht Durchsuchungen am 10.4.1933.

6Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in der Übergangszeit, S. 170, 26.5.1933 Ortspolizei an Reg.Präs. Hildesheim - Bericht über die polizeiliche und politische Lage.

7Durchsuchungen und Festnahmen, S. 33-33v, Durchsuchung bei Max Debray, 6.5.1933.

8Ebenda, S. 35, Vorladung Max Debray, Beschlagnahme eines Jagdgewehres, 29.5.1933.

9KPD Göttingen - Beschlagnahme und Einziehung des kommunistischen Vermögens, S. 12, Formblatt Beschlagnahmung, Seitengewehr, Pistole, Mai und Juni 1933.

10Durchsuchungen und Festnahmen, S. 41-41v, 27.5.1933: Ortspolizei: Durchsuchung Dr. Wendler und des Dentisten Alfred Kube, Maschmühlenweg 4 nach Zersetzungsmaterial.

11KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei, S. 240–241, Bericht Gmeiner, 10.7.1933.

12Ebenda, S. 241v, Befragung Liddy Schaper, 15.7.1933.

13Durchsuchungen und Festnahmen, S. 104, 30.8.1933, Durchsuchung bei Schlosser Willi Weber.

14Interview August Stapel 21.01.1977, S. 6–7.

Rainer Driever