Nichtkommunistische Flugblätter

Neben den „üblichen Verdächtigen“ KPD und ISK gab es eine Reihe von Flugblättern, deren Urheber nicht eindeutig einer vormals existierenden politischen Organisation angehörten oder die jedenfalls diese Zugehörigkeit nicht durch Wortwahl oder Inhalt zu erkennen gaben.

Einen Tag vor der Aktion der Roten Studentengruppe vor der Universitätsaula wurden am 1. Februar Flugblätter vor dem Werkstor des Reichsbahnausbesserungswerkes in Göttingen deponiert.1 Die Ermittlungen nach dem Verbreiter zogen sich bis Anfang März hin, blieben aber erfolglos.2

Am 11. November 1933 lieferte der NSDAP-Nachrichtendienst-Leiter Tebbe ein Flugblatt bei der Polizei ab, das er an der Johanniskirche gefunden hatte. Es war handgeschrieben und offenbar nicht vervielfältigt. Wir kämpfen für Würde und Gerechtigkeit! Arbeiter! Ließ und gib dein Gutachten über die ernsten Schicksalsfragen deines Lebens! Im Folgenden beklagt der Autor das Los von Land- und Notstandsarbeitern und ihren geringen Lohn. Das Flugblatt schließt mit Aber trotzdem heil Hitler. Der Urheber wurde noch bis Anfang Dezember 1933 gesucht.3

Ende Juni 1937 gingen einigen Professoren der Göttinger Universität die Deutschen Freiheitsbriefe Nr. 16 zu. Die Ortspolizei bat die Stapo-Stelle Hildesheim im ein Exemplar zur Ansicht.4

Am 19. Juni 1939 in der Zeit von 23. bis 24 Uhr wurde von einem unbekannten Täter am Aushängekasten für das Schwarze Korps in der Gothmarstraße ein handgeschriebenes Flugblatt angeklebt. Der Verfasser beklagt vor allem die schlechten Löhne und droht mit weiteren Flugblättern zur Aufklärung. Zwar wurde das Stadtgebiet sofort abgesucht, weitere Flugblätter aber nicht gefunden.5

Zwei Beschäftigte des Stadtbauamtes fanden am 2. Juli 1941 zusammen mit einem weiteren Kollegen auf ihrem Arbeitshandwagen beim Abladen des Schutts nach der Arbeit an der Bahnhofsstr. gegenüber der Anatomie ein maschinegeschriebenes Flugblatt. Ihr Vorgesetzter gab es bei der Polizei ab, die es der Stapo-Außendienststelle Göttingen übergab. Die Nacht über war der Handwagen der Arbeiter auf dem Hof der Anatomie abgestellt.6 Über den Gang der dazu aufgenommenen Ermittlungen ist nichts bekannt.



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Quellen:

Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK). Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir., Fach 155, Nr. 5.

Schutz des deutsche Volkes: Schutzhaft, Vorbeugungshaft, Anzeigen. Stadtarchiv Göttingen, Pol.Dir., Fach 31a, Nr. 2, Bd. 2.

Verächtlichmachung der Reichsregierung. Stadtarchiv Göttingen, Pol.Dir., Fach 31a, Nr. 8.

Verordnung über Verhängung des Ausnahmezustandes und Schutz der Republik: Schutzhaft. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir., Fach 31a, Nr. 2, Bd. 1.



1Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK), S. 60, 7.2.1933; Fahndungsstelle der Reichsbahndirektion Kassel an Ortspolizei, Fahndungsmeldung.

2Ebenda, S. 60v, Flugblätter vor dem RAW am 1.2.1933, Meldung Griethe am 7. März 1933.

3Verordnung über Verhängung des Ausnahmezustandes und Schutz der Republik, S. 314-314v, 11.11.1933, Anzeige gegen Unbekannt, kommunistische Flugblätter.

4Schutz des deutschen Volkes, S. 56, Gestapo Hildesheim an Ortspolizei,"Deutsche Freiheitsbriefe" 01.07.1937. Die Deutsche Freiheitspartei war eine Anfang 1937 im Pariser Exil gegründete Oppositionspartei, die von alten Zentrumsmitgliedern betrieben wurde. Dieser eher lose Zusammenschluss bürgerlicher Kräfte gab die "Deutschen Freiheitsbriefe" heraus.

5Verächtlichmachung der Reichsregierung, S. 445, 20.6.1939 - Meldung Flugblatt.

6Ebenda, S. 450-450v, 4.7.1941 - Vernehmung des Finders des "Neuen Soldatenliedes".

Rainer Driever