Heinrich Düker – Dienststrafverfahren

Person und politische Einstellung des Privatdozenten Heinrich Düker waren Gegenstand des Interesses sowohl der Ortspolizei als auch der Universitätsleitung. Er war das einzige ISK-Mitglied unter den Dozenten, wenn auch einige seiner Kollegen mit dem ISK sympathisierten. Unter dem Eindruck des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7.4.1933 bat Kurator Valentiner einen Kollegen Dükers, Eindrücke der Persönlichkeit und politischen Einstellung niederzuschreiben. (Gesetz PDF)

31.5.1933 – Priv.Doz. Dr. Heinrich Schole (geb. 2.9.1886 – 1945 Greifswald, Selbsttötung bei Kriegsende; Parteieintritt 1.8.1932, Propaganda- und Schulungsleiter, Kreisredner und Lektor in der Reichsleitung, ab 1931 Kollege Dükers an der Universität) an Kurator Valentiner - Eindrücke von Persönlichkeit und politischer Einstellung Dükers:

Düker wurde mir bei meiner Ankunft in Göttingen als Sozialdemokrat und Freidenker signalisiert, weswegen ich ihm zunächst mit Reserve gegenübergetreten bin. Gelegentliche Versuche meinerseits, ihn für die Idee des Nationalsozialismus zu gewinnen, haben im Winter 1931–32 zu einigen längeren und ziemlich leidenschaftlichen Auseinandersetzungen geführt, die zwar keine Verständigung schaffen (konnten), doch, wie ich glaube, gewisse Wesenszüge der Persönlichkeit, vor allem seine politischen Ziele deutlich hervortreten ließen.

Düker nannte sich selbst einen Sozialisten, auch Sozialdemokraten, wobei er betonte, dass ihm die soziale Hilfsbereitschaft die Hauptsache sei. Die von ihm erstrebte Wirtschaftsreform entfernte sich, soweit ich mich erinnere, nicht wesentlich von der nationalsozialistischen. Ich hielt hier eine Verständigung jedenfalls noch am ersten für möglich, zumal Düker die Erhaltung des Privateigentums, vornehmlich des ländlichen Bauernhofs, garantiert wissen wollte. (Er erklärte, er sei selbst niedersächsischer Bauernsohn und würde, falls seine Karriere fehlschlüge, zu seinem Bruder auf den väterlichen Hof ziehen und mit Freuden die Scholle bebauen.) Ideen, die man kommunistisch hätte nennen können, hat Düker nicht geäussert, und ich kann, da ich ihn für einen aufrichtigen Charakter halte, auch nicht annehmen, dass er solche insgeheim gehegt hätte. Er erklärte freimütig, vor Jahren der S.P.D. angehört zu haben, ferner Mitglied des von Nelson gegründeten „Internationalen Sozialistischen Kampfbundes“ gewesen zu sein (bis 1929?). An der S.P.D. habe ihn weniger das Programm als die üble Bonzenherrschaft abgestossen. Von Nelson sprach er und spricht er noch heute mit grosser Achtung. Von dem, was Düker zu Nelsons Tod und Rechtfertigung seinerzeit geltend gemacht hat, ist mir leider recht wenig in der Erinnerung geblieben, sodass ich über diesen vielleicht entscheidenden Punkt nur dürftige Angaben machen kann. Ich nahm an dem Epitheton „international“ besonderen Anstoss; auch konnte ich für die anscheinend ganz ideal gedachten volkserzieherischen Absichten eines Halbjuden kein Interesse fassen. Ich erinnere nur, dass Düker auf einen sehr unkommunistischen Programmpunkt Nelsons mit Nachdruck hingewiesen hat, nämlich auf sein Bestreben, nach dem Vorbild des platonischen Staates eine ständische Gliederung durchzuführen unter Betonung des Führerprinzips (Nelson soll ein Buch geschrieben haben: Demokratie und Führertum und soll deswegen (?) aus der S.P.D. ausgeschlossen worden sein).

Nach meinen Erfahrungen möchte ich nicht annehmen, dass Düker ausgesprochen linksradikale Gesinnung zum Ausdruck gebracht oder sich dieser Art betätigt hat.

Über die Hitlerbewegung hat er sich mir gegenüber nie gehässig oder verächtlich geäussert.

Eine Reihe von Studenten, die ich über Düker befragte, urteilten übereinstimmend, er sei offenbar Sozialdemokrat oder etwas ähnliches, aber ein sehr anständiger. Mehrfach wurde geäussert: Wenn Neuhaus bleiben sollte, dann müsse Düker seines anständigen Charakters wegen viel eher bleiben.

Von dem Kollegen Neuhaus, der entschieden radikaler sprach und dachte, hat Düker sich offenkundig distanziert.

Befremdlich mag zunächst noch die Tatsache bleiben, dass Düker, wie er mir ebenfalls freimütig erzählt hat, in einer Freidenkervereinigung, die in der Hauptsache ein Feuerbestattungsverein gewesen zu sein scheint, Grabreden gehalten und auch über Kindererziehung gesprochen hat. Dies ist mir gegenüber von Parteigenossen mehrfach tadelnd vermerkt worden. Ich möchte aber auch hier der Versicherung Dükers Glauben schenken, dass ihn Mitleid und Entsetzen angesichts der seelischen Verödung des proletarischen Freidenkers veranlasst haben, den Armen wenigstens das an Trost und Erbauung zu bieten, was sie sich von einem kirchlich unabhängigen Menschen, dem sie vertrauten, bieten lassen wollten. (Dabei ist Düker durchaus kein Atheist, wie ich nebenbei feststellte, und hat kaum ein Recht, sich Freidenker zu nennen).

Dass meine bisher mitgeteilten Erfahrungen die wirkliche Gesinnung Dükers tatsächlich spiegeln, scheint mir deswegen sehr wahrscheinlich zu sein, weil sie aus einer Zeit stammen, wo das Ministerium Braun-Grimme einer linksradikalen Betätigung kaum Schranken setzte und der Sieg des Nationalsozialismus noch in weiter Ferne lag.

Gestatten Sie mir, sehr verehrter Herr Geheimrat, zum Schluss ein offenes persönliches Wort. Wir Nationalsozialisten wollen dem neuen völkischen Geist um jeden Preis in der Universität Eingang verschaffen, und wir zögern nicht, daraus die härtesten personalpolitischen Konsequenzen zu ziehen. Für uns ist jeder, der sich international ausrichtet und judenfreundliche Tendenzen zeigt, grundsätzlich als Jugendführer unmöglich, und demgemäss müsste auch der Kollege Düker fallen. Vor fünf Wochen hätte ich noch unbedingt für seine Suspendierung gesprochen. Seitdem habe ich (aus) nächster Nähe soviel elende Gesinnungslumperei gesehen, die ungeahndet bleibt und nach Lage der Dinge auch nicht geahndet werden kann, dass mir der Kollege Düker in seiner männlichen Haltung und bäurischen Gradheit geradezu eine Wohltat bedeutet, und dass es mir als Ungerechtigkeit erscheinen würde, wenn er verschwände, wo offenbar Unwürdige bleiben.
In ausgezeichneter Hochachtung
Heinrich Schole
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Nachdem Valentiner das Schreiben von Schole und eine Einschätzung von Prof. Dr. Ach, dem Direktor des Psychologischen Instituts, erhalten hatte, lud er Düker am 2.6.1933 zur Vernehmung. Düker wurde mit dem Gegenstand der Vernehmung bekannt gemacht und erklärte:

Ich bin niemals Mitglied der kommunistischen Partei gewesen und habe ihr auch nie nahe gestanden. Das ist schon deshalb nicht möglich, weil ich auf Grund meiner idealistischen Weltanschauung (Kant, Fries, Fichte) ein entschiedener Gegner des Materialismus (der Theorie des Kommunismus) bin.

Im einzelnen bemerke ich: Ich entstamme einer niedersächsischen Bauernfamilie. 1917 trat ich in das Heer ein, wurde beim 1.Garde-Feldart-Reg. Berlin ausgebildet und kam zur 1. Garde-Inf. Div. ins Feld. Gegen Ende der Frühjahrsoffensive 1918 wurde mir auf einer freiwilligen Patrouille vor Amiens das rechte Bein abgeschossen. Ich habe es stets für meine Pflicht gehalten, mich für das Wohl meines Volkes einzusetzen; daher habe ich mich trotz meiner schweren Verwundung in rechtspolitischen Organisationen betätigt, welche die Verwirklichung gerechter Zustände zu ihrem Ziel gemacht haben. So gehörte ich z. B. 1919 einer geheimen halbmilitärischen Organisation in Südhannover an, die unter der Leitung eines Reservehauptmanns stand, zur Bekämpfung linksradikaler Bestrebungen bestimmt war und aus diesem Grunde lediglich aus bewährten Offizieren und sonstigen Mitgliedern der alten Armee und gleichzeitig Kriegsteilnehmern bestand. Diese Organisation wurde allerdings 1920 aufgelöst, ohne in größeren (Unternehmungen) aktiv geworden zu sein.

Auf der Universität, die ich nunmehr bezog, wurde ich durch Vorlesungen des verstorbenen Philosophen Leonard Nelson angeregt, mich mit den Problemen des Sozialismus zu beschäftigen. Unter Sozialismus versteht Nelson einen Zustand, der jede Ungerechtigkeit ausschließt. Der Nelsonsche Begriff des Sozialismus hat nichts mit Marxismus zu tun, steht diesem vielmehr entgegen. Ein sozialistischer Staat kann nach Nelson nur nach dem Prinzip der Führerschaft regiert werden. Daher wurde von Nelson auch die Demokratie abgelehnt (vgl. Nelson, Demokratie und Führerschaft). Sehr scharf wurde von Nelson, gemäß seiner philosophischen Einstellung, jede Form des Materialismus, insbesondere der Marxismus und der Historische Materialismus bekämpft. Diese Gesamteinstellung imponierte mir, besonders war es die philosophische Einstellung, die einen Staat nach den Grundsätzen des deutschen Idealismus (Kant, Fries, Fichte) geleitet wissen will, die mich sehr anzog. Und ich hielt es für meine Pflicht, an der Verwirklichung dieses Rechtsstaates mitzuarbeiten. Der Sozialismus hat mithin auch für mich nichts mit Marxismus zu tun, sondern bedeutet dasselbe wie Rechtszustand. Ich habe mich daher auch nie im marxistischen Sinne betätigt. Daran ändert nichts der Umstand, daß ich (1923 oder 1924) vorübergehend in der SPD gewesen bin. Ich hatte geglaubt, in dieser Partei Idealisten für das mir vorschwebende Ziel zu finden. Als sich dies nicht bewahrheitete, habe ich enttäuscht diese Partei verlassen.

Obwohl ich nie atheistisch eingestellt gewesen bin, bin ich aus religiösen Gründen aus der Landeskirche ausgetreten, habe ich auch im Deutschen Freidenkerverband mitgearbeitet (nicht zu verwechseln mit dem Verband der proletarischen Freidenker, der kommunistisch war). Meine Mitarbeit geschah auch in dieser Organisation aus rein idealistischen Gründen. Ich glaubte, dem Atheismus dort am wirksamsten entgegentreten zu können. Auch im Internationalen Sozialistischen Kampfbund habe ich versucht mitzuarbeiten, weil ich glaubte, daß dort die mir vorschwebenden Ziele verwirklicht würden, da er ja aus der Nelsonschen Bewegung hervorgegangen war. Ich bin aus diesem Bunde ausgeschlossen worden, weil ich ihm infolge meiner wissenschaftlichen Arbeit zu wenig Zeit widmete, was mir als ungenügende Hingabe an die Ziele des Bundes ausgelegt wurde. Dieser Ausschluß erfolgte 1929. Daß auch dieser Bund nicht als kommunistisch eingestellt angesehen werden kann, geht u. a. daraus hervor, daß er von dem Kommunismus sehr scharf bekämpft wurde und daß man in jenem Lager die Mitglieder des Bundes als bürgerliche Ideologen verhöhnte. Ein ähnliches Schicksal war übrigens dem Gründer des Bundes, Professor Nelson selbst, beschieden. Er wurde wegen antimarxistischer Einstellung und Bekämpfung der Demokratie aus der SPD 1924 ausgeschlossen.

Seit meinem Ausschluß aus dem ISK. habe ich mich politisch nicht mehr betätigt, sondern mich ausschließlich wissenschaftlichen Arbeiten gewidmet. Uebrigens lag mir die politische Tätigkeit wenig. Ich habe sie vielmehr aus Pflichtbewusstsein versucht. An und für sich bin ich pädagogisch-philosophisch eingestellt und habe eine Tätigkeit in dieser Richtung viel mehr bevorzugt.

Nochmals bestätige ich, daß mir auf Grund meiner idealistischen Weltanschauung jede marxistische Betätigung ferngelegen hat. Ich habe mich stets verpflichtet, mich für das Ideal der Gerechtigkeit einzusetzen. Von dieser Richtung bin ich bis heute noch nicht abgewichen. Daher stehe ich allen Bestrebungen des neuen nationalen Staates, die dahin gehen, den Bedrängten unseres Volkes zu helfen und gerechte Zustände zu schaffen, wie sie in vielen Kundgebungen der führenden Männer ihre Niederschriften finden, nicht nur sehr sympathisch gegenüber, sondern halte es für meine Pflicht, sie mit allen Kräften zu unterstützen. Das gilt, wie ich hervorheben möchte, nicht nur aus sozialen Beweggründen, sondern auch aus nationalen. Ich würde für das Recht meines Vaterlandes genau so eintreten, wie ich es 1917 getan habe. Hieraus folgt, daß ich entschlossen bin, mich an der Aufbauarbeit unseres Volkes, wie sie die nationale Regierung beabsichtigt, mit allen Kräften zu beteiligen.

Nachträglich erwähne ich noch etwas, was mir wesentlich erscheint. Bei der polizeilichen Durchsuchung meines Zimmers im Psychologischen Institut hat die Polizei lediglich die Zeitungen beschlagnahmt bezw. mitgenommen, welche sozialistischen Richtungen angehören. Sie hätte ebensogut Zeitungen mitnehmen können, welche bürgerliche Richtungen vertreten z.B. den „Tag“, die „DAZ“., eine bürgerliche Saarbrücker Zeitung usw. Daß diese bürgerlichen Zeitungen der Zahl nach weniger waren als die sozialistischen, ist darauf zurückzuführen, daß ich viele schon zum Anbrennen meines Ofens benutzt hatte. Ferner aber hätte sich die Polizei davon überzeugen können, daß ich weit mehr Bücher besitze, von anerkannt nationalen Schriftstellern, wie Hans Grimm „Volk ohne Raum“, Bismarcks Reden, seine „Gedanken und Erinnerungen“, die Lienhardt'schen Werke, nationalsozialistische Schriften und vieles mehr, als Werke, die politisch links stehen. Ein einziges Buch lediglich der letztgenannten Art, nämlich Lehmann-Rußbüldt: „Die Internationale der Rüstungsindustrie“, hat die Polizei an sich genommen. Uebrigens vertreten auch die mitgenommenen Zeitungen weder einen kommunistischen noch einen sozialdemokratischen Standpunkt. Ich habe es eben für nötig gehalten, mich wenigstens über die verschiedenen politischen Richtungen zu orientieren.

Heinrich Düker2

Heinrich Düker hatte sich für den Termin bei Kurator Valentiner natürlich vorbereitet. Und er hatte sich überlegt, wie er argumentativ überzeugend sein könnte. Er hatte zudem eine Niederschrift „Ziele und Arbeitsweise des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes“ mitgebracht. (Ziele und Arbeitsweise PDF)

Am 3.6.1933 teilte Kurator Valentiner Polizeidirektor Gnade die Ergebnisse seiner Untersuchungen mit:

Vertraulich!
Sehr geehrter Herr Polizeidirektor!
In den Anlagen übersende ich Ihnen ergebenst das Ergebnis meiner bisherigen
Ermittlungen betreffend den Privatdozenten an der hiesigen Universität, Dr. Düker. Nach unserer gemeinsamen Besprechung der Angelegenheit und nachdem Ihr Herr Gerlach mir seine Eindrücke von der Haussuchung mitgeteilt hatte, habe ich mit den Vorsitzenden der hiesigen nationalsozialistischen Dozenten-Vereinigung, Herrn Dr. Konrad Meyer, gesprochen. Dieser riet mir, mich mit dem absolut vertrauenswürdigen, der nationalsozialistischen Bewegung angehörenden, Dr. Schole in Verbindung zu setzen. Herr Dr. Schole sei gleichfalls Privatdozent der Psychologie wie Herr Dr. Düker selbst, kenne ihn seit längerer Zeit und könne sicher über ihn Auskunft geben. Ich hatte dann eine ausführliche Unterredung mit Herrn Dr. Schole und erhielt daraufhin ein gleichfalls sehr ausführliches Schreiben von ihm, welches sich bei den mit diesem Schreiben übermittelten Akten befindet. Sowohl aus den mündlichen wie aus den schriftlichen Aeußerungen Herrn Schole's geht hervor, daß er Herrn Dr. Düker mindestens für einen sehr anständigen Menschen hält, der zwar dem Sozialismus „aus Idealismus“ anhängt, aber den Marxismus, also den Kommunismus (...) entschieden ablehnt. Alsdann habe ich noch den Herrn Institutsdirektor zu Protokoll gehört. Auch seine Erklärung befindet sich bei den Akten.

Verabredungsgemäß übersende ich Ihnen die ganzen entstandenen Verhandlungen und lege auch die mir von Herrn Gerlach übergebenen Schriftstücke bei. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir etwa am Ende der Pfingstwoche sämtliche Anlagen dieses Schreibens mit Ihrer Aeußerung zurücksenden wollten, damit ich dem Herrn Minister meinen Bericht erstatten kann.
In ausgezeichneter Hochachtung
Ihr sehr ergebener
Valentiner3

Etwas später, am 14.6., erschien Düker erneut bei Kurator Valentiner. Er wollte noch einmal den angeblich „marxistischen“ Charakter des ISK kommentieren und gab dazu an: Anläßlich meiner Vernehmung kurz vor Pfingsten habe ich als besonders wichtig hervorzuheben, daß der „Sozialismus“ des ISK (Nelsonbund), dem ich bis 1929 angehörte, dem der marxistischen Parteien geradezu entgegengesetzt sei. Als Beleg hierfür überreiche ich eine Zusammenstellung von Äußerungen kommunistischer und sozialdemokratischer Redner und Zeitungen über den ISK. Es sind nur einflußreiche Redner und Zeitungen genannt.4 Düker hinterließ bei Valentiner eine dreiseitige Zusammenstellung, eine Art Pressespiegel mit Urteilen und Kommentaren von KPD und SPD über den ISK.5 (Pressespiegel ISK PDF)

Noch einmal vier Tage später richtete Düker einen Brief an die Ortspolizei. Es ging ihm um seine Vernehmung durch Valentiner, bei der der Vorwurf aufgetaucht war, Düker sei von einem Polizeibeamten bei einer Demonstration gesehen worden. Dies stellte er in seinem Brief richtig: Bei meiner Vernehmung durch den Kurator der hiesigen Universität, Herrn Geheimtat Valentiner, wurde mir mitgeteilt, daß ein Kriminalbeamter mich bei einem Demonstrationszug, der in die Zeit von 1928-31 gefallen sei, gesehen hätte. Hierzu erkläre ich, was ich bei meiner polizeilichen Vernehmung am 28. April 1933 bereits zu Protokoll gegeben habe, daß eine Teilnahme an einem solchen Demonstrationszug nicht stattgefunden hat. Ich halte es allein schon auf Grund meiner schweren Kriegsbeschädigung (das rechte Bein ist 15 cm unter der Hüfte amputiert) für ausgeschlossen, daß ich an Straßenumzügen teilnehmen kann. Die vermeintliche Beobachtung des Kriminalbeamten kann ich mir nur so erklären, daß ich, als Zuschauer auf dem Bürgersteig stehend, vom Zuge aus angerufen und antwortgebend auf den Sprecher zugetreten bin. Wenngleich die Möglichkeit für einen solchen Vorgang besteht, so kann ich mich doch nicht erinnern, daß er tatsächlich stattgefunden hat.
Dr. Heinrich Düker
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Am 15.7.1933 fragte Kurator Valentiner noch einmal nach: Sehr geehrter Herr Polizeidirektor!
Könnte ich Ihre Auffassung in der Sache des Privatdozenten Düker bald erfahren? Ich werde dem Herrn Minister demnächst berichten müssen. Am Donnerstag und Freitag nächster Woche spreche ich voraussichtlich auf dem Ministerium vor. Dort wird man mich sicherlich nach der Angelegenheit fragen.
Ich sandte Ihnen die entstandenen Akten am 3. Juni.
Mit der Bitte um gefällige baldige Aeußerung und mit bestem Gruße
Ihr sehr ergebener
Valentiner
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14 Tage später sandte die Ortspolizei die ihr überlassenen Akten zu Düker zurück an die Universität. Gnade schrieb dazu: (…) Die bei uns angestellten Ermittlungen haben weiteres Beweismaterial einer staatsfeindlichen Betätigung nicht ergeben.
Nach unseren Beobachtungen, insbesondere durch seine Teilnahme an den Versammlungen des ISK., sowie seiner früheren Zugehörigkeit zu diesem Bunde und der Sozialdemokratie ist anzunehmen, dass Dr. Düker politisch linksgerichtete Bestrebungen verfolgte und sich in diesem Sinne betätigte.
A. Gnade
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Quelle

Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät. - Personalakte Heinrich Düker. Universitätsarchiv Göttingen, UAG Kur PA Düker, Heinrich, Bd. 1.



1Math.-Nat. Fak. - Personalakte Heinrich Düker, S. 21–24, 31.5.1933 - Priv.Doz Dr. Heinrich Schole an Kurator Valentiner - Eindrücke von Persönlichkeit und politischer Einstellung Dükers.

2Ebenda, S. 25–27, 2.6.1933 - Vernehmung Dükers durch Kurator Valentiner - Auskünfte gegenüber dem Repräsentant der verfolgenden bzw. ermittelnden Institution.

3Ebenda, S. 42-42v, 3.6.1933 Kurator an Polizeidirektor - Heinrich Düker.

4Ebenda, S. 43-43v, 14.6.1933 - Kurator - Erklärung Dükers.

5Ebenda, S. 44, Juni 1933 - Zusammenstellung Dükers an den Kurator - Urteile über ISK.

6Ebenda, S. 49, 18.6.1933 - Heinrich Düker an Polizeidirektion Göttingen – Demonstration.

7Ebenda, S. 48, 15.7.1933 - Kurator an Polizeidirektor Gnade - Nachfrage zu Düker.

8Ebenda, S. 50, 2.8.1933 - Ortspolizei an Kurator - Rückgabe des Materials zu Düker und Einschätzung.

Rainer Driever