Arbeit auf der Straße - Agitation und Aktionen
Die
eher aktivistische Seite der Arbeit des ISK gewann erst langsam an
Fahrt. Nach der Konsolidierung der Organisation und den Anfängen
der unerlässlichen Mitgliederschulung wurden dafür ab 1927
Kräfte frei. Willi Eichler berichtete auf dem ersten Bundestag
des ISK, der vom 10. bis 12.8.1928 in Göttingen stattfand, von
der geleisteten Arbeit: Wir
sind heute nur noch 27 Mitglieder: Wir haben auch erste Versuche
einer planmässigen Agitation unter Mitwirkung aller Genossen
gemacht und gute Erfolge erzielt.
Diese Erfolge in der Außenarbeit
seien vor allem auf die gute Zusammenarbeit mit den Freidenkern
zurückzuführen.1
(Freidenker)
Eine der Voraussetzungen, die für den Eintritt in den ISK obligatorisch waren, war der Kirchenaustritt. Agitation gegen die Kirchen, kirchlich gefärbte Schulpolitik und kirchlich-religiös ausgerichtete Organisationen gehörten folgerichtig zum Repertoire der ISK-Agitation. Der natürliche Bündnispartner dafür war der Freidenkerverband. Fritz Schmalz berichtete im Juni 1927: Hartwig hat als Funktionär des Eisenbahnerverbandes sechs Kollegen aus den christlichen Gewerkschaften herausgeholt.2 Erklärtes Ziel der atheistischen ISK-Agitation war es, Kirchenaustritte zu bewirken. Diese lagen 1930 bei 161 Personen,3 im Jahr 1931 wurden durch gezielte Agitation 128 Kirchenaustritte erzielt.4
Aber
auch mit den Kommunisten arbeitete man, zumindest partiell, zusammen.
Ein immer wiederkehrender gemeinsamer Termin war die Leninfeier,
die stets in zeitlicher Nähe zum Todestag von Wladimir Iljitsch
Uljanow alias Lenin (gestorben 21.1.1924) im letzten Januardrittel
stattfand.5
Ansonsten
schloss man sich mit der KPD-Ortsgruppe zu punktuellen Aktionen
zusammen. Am 1.8.1929 veranstaltete man zusammen eine
Antikriegsdemonstration,
auf der der ISK
eigene Flugblätter verteilte und im Demonstrationszug
geschlossen hinter der ISK-Fahne marschierte. Bei der anschließenden
Kundgebung redete Heinrich Breves (LKB) vom Gänselieselbrunnen
herab, während Erich Irmer die ISK-Fahne hielt.6
Im darauffolgenden Jahr demonstrierte der ISK zusammen mit der
KPD-Ortsgruppe zum 1. Mai in einem eigenen Zug. Fritz Schmalz sprach
auf dem Markt vor 300 Teilnehmern, was ihm den Ausschluss aus dem
Ortsausschuss des ADGB einbrachte.7
Die SPD hatte zusammen mit dem ADGB einen Aufruf zur Maifeier
verfasst, in dem der ISK eine Verletzung der Neutralitätspflicht
sah und Protest einlegt. Willi Eichler schrieb, wir
erreichten
aber nur,
dass
wir von den Bonzen verhöhnt wurden.
Er kommentierte die schwierige Lage: Wir
versuchten dann – auf dem Umweg über den
Freidenker-Verband – ein Mai-Kommittee
(!) zu gründen, dem alle Gn
(Göttinger)
Arbeiterorganisationen sich anschließen sollten. Das scheiterte
selbstverständlich am Widerstand der Gewerkschaftsführer,
die gleichzeitig SPD-Vorsitzende sind, und wir waren gezwungen,
gemeinsam mit der KPD einen Mai-Umzug zu organisieren. Im ISK-Zug
marschierte ein großer Teil politisch unorganisierter
Gewerkschaftsmitglieder, Mitglieder der KPO und sogar
Sozialdemokraten. In den paar Worten, die Schmalz und Eichler in der
Versammlung sagten, forderten sie lediglich zur Bildung eines
antifaschistischen Komittees (!) auf, das eine neutralere Politik
treiben müsse.8
Die Kooperationen des ISK waren geeignet, Vertrauen zu schaffen.
Fritz Schmal berichtete 1931:
Dass
wir Vertrauen bei den Arbeitern geniessen, zeigt die Tatsache, dass
uns eine Anzahl Eltern ihre Kinder zur Erziehung in der Walkemühle
anvertraut haben.
(Darunter ist auch) der
führende Funktionär der KP (...).9
Eine
punktuelle Kooperation mit den Kommunisten wurde ergänzt durch
Aktionen gegen die SPD. So ist im zweiten Vierteljahrsbericht 1929 zu
lesen: (…) sehr
zum Ärger der SPDler war der ISK-Verkauf am 1.Mai gut
organisiert. Sämtliche Zugänge des Volksheims waren mit
ISK-Verkäufern besetzt.10
Direkte Auseinandersetzungen fanden
bei unterschiedlichen Gelegenheiten statt, wie z.B. auf einer Sitzung
des Göttinger Gewerkschaftskartells am 27.3.1929, auf der Fritz
Schmalz sich in einem Rededuell gegen den Göttinger
SPD-Reichstagsabgeordneten Richard Schiller durchsetzte.11
Auch SPD-Versammlungen waren keine Rückzugsorte für die Genossen. So rief Fritz Schmalz sehr zum Ärger der Genossen im November in einer sozialdemokratischen Versammlung zur Wahl der KPD auf.12
Aber auch neue Agitationsformen wurden ausprobiert. Im Februar 1929 nahm man eine Fahrt der Ortsgruppe nach Reinhausen zum Anlass, um dort eine ISK-Hausagitation durchzuführen.13 Im Sommer 1929 suchte man sich dafür Orte mit proletarischem Milieu: die Neustadt und das Ebertal. ISK-Aktivisten (vermutlich aus der ISK-Jugend bzw. der Spielschar) nahmen dort Aufstellung, sangen Kampflieder und intonierten kurze Sprechchöre.14 Planung und Koordination der Agitation lag im Herbst 1929 bei Erich Irmer.15
Flugblattaktionen gehörten ebenso zum Repertoire des ISK. Fritz Schmalz berichtete am 12.4.1931: Eine grössere Flugblattaktion haben wir Ende März durchgeführt, bei der 23000 Flugblätter verteilt wurden. (Diese wurden) vor Arbeitslosenstempelstellen und vor der Eisenbahn-Ausbesserungs-Werkstatt verteilt. Dadurch wurden bei jeder Verteilung rund 5000 Personen erfasst.16
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Quellen
Internationaler Jugend-Bund (IJB) / Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK), Aktengruppe: ISK, Druckschriften / Verschiedene Stücke: Bundestage, Treffen. Archiv der sozialen Demokratie, 4/IJB-ISK000005.
Internationaler Jugend-Bund (IJB) / Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK), Aktengruppe: ISK, Korrespondenz A (1925-1933), ISK-Untergliederungen an Bundesvorstand: Briefe, Berichte 1930-33. Archiv der sozialen Demokratie, 4/IJB-ISK000012.
Internationaler Jugend-Bund (IJB) / Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK), Aktengruppe: ISK, Korrespondenz A (1925-1933), ISK-Untergliederungen an Bundesvorstand: Berichte 1931. Archiv der sozialen Demokratie, 4/IJB-ISK000021.
Internationaler Jugend-Bund (IJB) / Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK), Aktengruppe: ISK, Korrespondenz A (1925-1933), ISK-Untergliederungen an ISK-Bundesvorstand: Monatsberichte 1929. Archiv der sozialen Demokratie, 4/IJB-ISK00018.
Internationaler Jugend-Bund (IJB) / Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK), Aktengruppe: ISK, Korrespondenz A (1925-1933), ISK-Untergliederungen an ISK-Bundesvorstand: Monatsberichte 1927. Archiv der sozialen Demokratie, 4/IJB-ISK00014.
Internationaler Jugend-Bund (IJB) / Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK), Aktengruppe: ISK, Korrespondenz A (1925-1933), ISK-Untergliederungen an ISK-Bundesvorstand: Monatsberichte 1930. Archiv der sozialen Demokratie, 4/IJB-ISK00020.
1Internationaler Jugend-Bund (IJB) / Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK), Aktengruppe: ISK, Druckschriften / Verschiedene Stücke, S. 1, 10.–13.
2Internationaler Jugend-Bund (IJB) / Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK), Aktengruppe: ISK, Korrespondenz A (1925-1933), ISK-Untergliederungen an ISK-Bundesvorstand, S. 6, Monatsbericht Juni 1927.
3Internationaler Jugend-Bund (IJB) / Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK), Aktengruppe: ISK, Korrespondenz A (1925-1933), ISK-Untergliederungen an Bundesvorstand, S. 11, 11.12.1930, Willi Eichler an OVV.
4Internationaler Jugend-Bund (IJB) / Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK), Aktengruppe: ISK, Korrespondenz A (1925-1933), ISK-Untergliederungen an Bundesvorstand, S. 22, 15.12.1931, Willi Eichler an OVV.
5Internationaler Jugend-Bund (IJB) / Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK), Aktengruppe: ISK, Korrespondenz A (1925-1933), ISK-Untergliederungen an ISK-Bundesvorstand, S. 1, Monatsbericht Januar 1927.
6Internationaler Jugend-Bund (IJB) / Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK), Aktengruppe: ISK, Korrespondenz A (1925-1933), ISK-Untergliederungen an ISK-Bundesvorstand, S. 6, 1929, Bericht über das Vierteljahr Juli – August – September.
7Internationaler Jugend-Bund (IJB) / Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK), Aktengruppe: ISK, Korrespondenz A (1925-1933), ISK-Untergliederungen an ISK-Bundesvorstand, S. 2, Vierteljahresbericht 2/1930.
8Ebenda, S. 5, 16.5.1930, Willi Eichler an OVV.
9Internationaler Jugend-Bund (IJB) / Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK), Aktengruppe: ISK, Korrespondenz A (1925-1933), ISK-Untergliederungen an Bundesvorstand, S. 1, 12.4.1931, Vierteljahrsbericht Januar – Februar – März 1931, Fritz Schmalz.
10Internationaler Jugend-Bund (IJB) / Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK), Aktengruppe: ISK, Korrespondenz A (1925-1933), ISK-Untergliederungen an ISK-Bundesvorstand, S. 5, Bericht über das Vierteljahr April – Mai – Juni 1929.
11Ebenda, S. 4, Monatsbericht März 1929.
12Ebenda, S. 8, Monatsbericht für November 1929.
13Ebenda, S. 2, Monatsbericht Februar 1929.
14Ebenda, S. 6, 1929, Bericht über das Vierteljahr Juli – August – September.
15Ebenda, S. 7, Monatsbericht Oktober 1929.
16Internationaler Jugend-Bund (IJB) / Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK), Aktengruppe: ISK, Korrespondenz A (1925-1933), ISK-Untergliederungen an Bundesvorstand, S. 1, 12.4.1931, Vierteljahrsbericht Januar – Februar – März 1931, Fritz Schmalz.
Rainer Driever