Agitationsmaterial und Druckmöglichkeiten

Am 16. Februar wurde die Wohnung des Studenten Walter Gößling durchsucht, belastendes Material im Sinne des § 7 der Verordnung vom 4.2.33 aber nicht gefunden. Grund war die Beobachtung, dass dort in den Abendstunden und zur Nachtzeit Personen aus kommunistischen Kreisen verkehren.1 (Haussuchung-Gößling PDF)

Mit dem Verbot von KPD-Aktivitäten aufgrund der Verordnung zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 (Verordnung PDF) ging auch ein Funkspruches des Regierungspräsidenten in Hildesheim bei der Ortspolizei ein. Er enthielt neben der Anweisung zur Beschlagnahmung sämtlicher kommunistischen Flugblätter und Druckschriften und einer verstärkten Unterstützungstätigkeit von Hilfspolizei und Bereitschaftspolizei vor allem die Weisung zu gründlichen Durchsuchungsaktionen bei allen kommunistischen Funktionären.2 Betroffen davon waren der Drechsler Karl Meyer, der Kraftwagenführer Robert Liberty und der Arbeiter Gustav Kuhn. Eine Anzahl von Druckschriften wurde dabei beschlagnahmt.3

März

Weitere Durchsuchungen nach Druckschriften erfolgten am 3. März bei dem Maurer Adolf Reinecke und am darauf folgenden Tag bei dem Lageristen August Strasen und dem Arbeiter Ernst Hanne sowie am 13. März bei dem Kaufmann Fritz Schaper. Die Durchsuchungen galten Waffen und Druckschriften, blieben allerdings ergebnislos.4

Anfang März fragte die Firma Europa Schreibmaschinen aus Erfurt nach einer bei Hans Leicher beschlagnahmten Schreibmaschine. Diese wurde zu Teilzahlungsbedingungen unter Eigentumsvorhalt geliefert und die Firma fragte in ihrem Schreiben nach der Aufhebung der Beschlagnahmung.5 Die Antwort der Göttinger Polizei erfolgte erst im September. Inzwischen hatte die Firma Europa-Schreibmaschinen den Bestellschein gefunden, er war auf den KPD-Unterbezirksleiter Theodor Gassmann ausgestellt. Da die-Olympia-Schreibmaschine in Göttingen nicht beschlagnahmt worden war, vermutete die Polizei, dass Gassmann diese bei seinem Umzug nach Hannover am 30.12.1932 mitgenommen hatte.6 Ebenso wurde die Schreibmaschine des aus Einbeck stammenden August Fricke gesucht.7

Am 16. März wurde nach einer Durchsuchung der Wohnung des Mechanikers Philipp Strauß in der Königsallee von seiner Tochter Elisabeth ungebrauchte Matrizen und eine Metallunterlage beschlagnahmt. Martin Strauss war Funktionär der Roten Studentengruppe und sollte noch in der Herstellung des inzwischen Illegalen Roten Stürmers eine Rolle spielen.8

April

Am 7. April wurde eine Haussuchung nach verbotenen Schriften und Waffen bei Karl Nietmann durchgeführt. Er stand im Verdacht der staatsfeindlichen Betätigung aufgrund des Umstandes, dass er Schwager des Kommunisten Karl Fischbach war.9

Eine wichtige Funktion innerhalb der KPD-Agitation nahm der Schalmeienzug ein. Dessen Instrumente gerieten ebenfalls in das Visier der Polizei. Bei dem Schlosser Walter Schatte wurde am 20.4.1933 seine Schalmei, Marke Otto (gesch. Wert 20 RM) beschlagnahmt. Als Grund reichte aus, dass Schatte Mitglied der KPD war und er das Instrument bei Umzügen der KPD gespielt hatte. Die Schalmei wurde an die Hitlerjugend abgegeben.10

Am 25. April traf es den Politischen Leiter der Ortsgruppe Grone, Friedrich Ische. Bei ihm wurde umfangreiches Material, Manuskripte und Druckschriften, beschlagnahmt. Dies führte zu einem Prozess vor dem Oberlandesgericht Kassel am 14. Juli 1933.11 (Verhaftung Ische PDF)

Am selben Tag wurde die Wohnung des Juristen Dr. Denecke durchsucht. Seine Frau stand im Verdacht, mit kommunistischen Funktionären in Verbindung zu stehen und sich kommunistisch zu betätigen. Gefunden wurde eine Ausgabe der „Weltbühne“ von 1929.12

Mai

Ähnlich wie die Firma Europa Schreibmaschinen sorgte sich der Inhaber der Göttinger Firma Büromaschinen Breitenbach um den Verbleib seiner, anscheinend noch nicht abbezahlten, Schreibmaschinen im kommunistischen Besitz. Er wies die Ortspolizei am 2. Mai 1933 darauf hin, das die Olympia-Kleinschreibmaschine der Kommunistischen Partei in der Angerstraße in irgendwelchen Häusern, wo frühere Mitglieder der Kommunistischen Partei wohnen, untergebracht bezw. versteckt“ sein könnten. Um die Schreibmaschine wieder zu erlangen, regte er an, bei einzelnen früheren Mitgliedern der KPD, die in der Angerstraße wohnen, Haussuchungen halten (zu) lassen. Soweit ich mich erinnern kann, wohnt in der Angerstraße auch ein Herr Kuhn. Zum Schluss betonte er ausdrücklich: Meinen Namen wollen Sie bitte bei der Haussuchung auf keinen Fall nennen.13

Am 15. Mai wurde eine koordinierte umfassende Durchsuchungsaktion bei Spediteuren und der Post durchgeführt. Es bestand seitens der Polizei der Verdacht, dass kommunistisches Material dort gelagert wurde, um es dem Zugriff der amtlichen Organe zu entziehen.14

Am 18. Mai gelang der Polizei die Beschlagnahmung einer Vervielfältigungsmaschine Marke Rotary mit einem geschätzten Wert von 200 RM. Diese gehörte zur Unterbezirksleitung der KPD und wurde bei dem Studenten Wilhelm Hoffmann bei ihrem Transport am 18.5.1933 beschlagnahmt. Die Polizei ging davon aus, dass illegale kommunistische Druckschriften damit hergestellt wurden (Roter Stürmer).15

Ebenfalls noch im Mai fragte die GEHA AG nach dem Verbleib des Geha-Rotary-Vervielfältigers No. 13087, den sie im Juni 1932 an Paul Gmeiner geliefert hatte. Die Raten wären bis einschließlich März bezahlt, nach einer Rückfrage kam aber die Antwort unbekannt verzogen. Ein GEHA-Vertreter wies die Firma darauf hin, dass Gmeiner Funktionär der KPD-Ortsgruppe Göttingen war. Die Firma machte in ihrem Brief den Eigentumsvorbehalt bei Ratenzahlung bei möglicher Beschlagnahme der Maschine geltend.16 (Der Dreher Paul Gmeiner wohnte 1931 in Göttingen und stand in den Jahren 1931 und 1932 dem Unterbezirk Göttingen und kurzzeitig auch der ANTIFA vor.17 Im Mai 1933 war Gmeiner noch auf der Flucht.)

Juni

Eine umfangreiche Beschlagnahmung betraf die Bücher des Buchhändlers Hans Leicher (Leicher galt als flüchtig, war aber bei Verwandten untergekommen). Am 6. Juni wurden in seiner Wohnung in der Königsallee 890 Bücher und Broschüren (gesch. Wert 200 RM) beschlagnahmt. Als Grund wurde angegeben, dass Leicher KPD-Literatur-Obmann und Leiter der KPD-Buchhandlung (Leihbücherei des Internationalen Bundes der Opfer des Krieges und der Arbeit) in der Johannisstraße war.18

Drei Tage später, am 9. Juni, wurde die Wohnung des Kassierers des Bundes der Opfer, Gustav Grosse (Schutzhaft 9.6.-16.6.33), durchsucht. Es wurde eine Anzahl Exemplare des Roten Stürmers beschlagnahmt, die in Leipzig hergestellt worden waren.19

Wiederum einen Tag später erfolgte die Durchsuchung der Wohnungen von Willi Eglinsky (Schutzhaft 4.4.-15.4.33 ) und Johann Osche (Schutzhaft 8.4. - 15.4.33) wegen Verdachts auf den Besitz kommunistischen oder sonst staatsfeindlichen Materials. Die bei Eglinsky vorgefundenen Bücher und sonstigen Schriften waren allerdings „harmlos“.20

Am 24. Juni traf es den Mechaniker August Friedrichs in der Jahnstraße als früheres Mitglied in der KPD-Schalmeienkapelle. Seine Schalmei wurde im Kleiderschrank gefunden und „beschlagnahmt“.21

Juli

Eine Durchsuchung bei dem Schlosser August Wienert (Schutzhaft 8.5.-10.5.33) am 20. Juli erbrachte immerhin einige Hefte kommunistischen Inhalts und eine Platte mit dem Titel "Bolschewistenmarsch“. Die beschlagnahmten Hefte sind älteren Datums und nicht staatsfeindlichen Inhalts. Eine strafbare Handlung liegt nicht vor. Die Hefte werden vernichtet. Was allerdings mit dem „Bolschewistenmarsch“ passierte, verschweigt der Polizeibericht.22

Am 20. Juli kam es bei Frau Oberecken in der Leinestraße zu einer „wilden Durchsuchung“. Am 29. Juli wurde deswegen der SA-Mann Oskar Fiege von der Polizei vorgeladen. Er hatte bei Frau Oberecken eigenmächtig eine Haussuchung durchgeführt und unter anderem eine Gardinenstange erbeutet. Die Polizei fragte u.a. nach dem Verbleib der Gegenstände.23 (Haussuchung Oberecken PDF)

September und später

Im November 1933 wurden noch einmal vier Marschtrommeln (geschätzter Wert 20 RM) als Eigentum der KPD bei dem Arbeiter Karl Meyer im Rosdorfer Weg beschlagnahmt und kurze Zeit später an die SS und HJ abgegeben.24

Die Wohnung des Zimmermanns August Wode in der Jüdenstraße wurde am 12. Dezember wegen Verdachts auf Lagerung staatsfeindlichen Materials durchsucht. Sichergestellt wurden 114 Exemplare der KPD-Zeitschrift A.J.Z. der Jahrgänge 1930 bis 1932. Eine strafbare Handlung lag nicht vor, da der Bezug der Zeitschrift vor dem Verbot lag.25



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Quellen

Durchsuchungen und Festnahmen: Verfolgung Systemgegner. Stadtarchiv Göttingen, Pol.Dir., Fach 31a, Nr. 9.

KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir., Fach 155, Nr. 1a.

KPD Göttingen - Beschlagnahme und Einziehung des kommunistischen Vermögens. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir., Fach 31a, Nr. 11.

Verordnung über Verhängung des Ausnahmezustandes und Schutz der Republik: Schutzhaft. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir., Fach 31a, Nr. 2, Bd. 1.



1Durchsuchungen und Festnahmen, S. 1-3, 16.2.1933: Haussuchung Walter Gößling.

2KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei, S. 87–88, 28.2.1933: Funkspruch Reg.Präs.Hildesheim an alle Polizeibehörden, Verbot KPD-Aktivitäten.

3Ebenda, S. 91-91v, 28.2.1933: Ortspolizei Bericht Durchsuchungen bei Kommunisten.

4Ebenda, S. 123, Europa-Schreibmaschinen an Ortspolizei Göttingen Schreibmaschine, 7.3.1933.

5Ebenda.

6Ebenda, S. 127, Verbleib beschlagnahmte Schreibmaschine, 22.8.1933.

7Ebenda, S. 126v, Ortspolizei Göttingen an Europa-Schreibmaschinen, 1.9.1933.

8KPD Göttingen - Beschlagnahme und Einziehung des kommunistischen Vermögens, S. 1, Anzeige über Beschlagnahmung bei der Stenotypistin Elisabeth Strauss, 16.3.1933.

9Durchsuchungen und Festnahmen, S. 22, Ortspolizei: Durchsuchung der Wohnung Karl Nietmanns, Bericht 13.5.1933.

10KPD Göttingen - Beschlagnahme und Einziehung des kommunistischen Vermögens, S. 52, Formblatt Beschlagnahmung Schalmei Schatte, 20.4.1933.

11KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei, S. 171–172, 26.4.1933: Verhör Friedrich Ische.

12Durchsuchungen und Festnahmen, S. 25, Haussuchung bei Dr. jur. Denecke, 25.4.1933

13KPD Göttingen - Beschlagnahme und Einziehung des kommunistischen Vermögens, S. 3, Büromaschinen Breitenbach, Anfrage an Ortspolizei, KPD, 2.5.1933.

14Göttinger Zeitung, 15.5.1933 Durchsuchungen bei Speditionen nach illegalem Material.

15KPD Göttingen - Beschlagnahme und Einziehung des kommunistischen Vermögens, S. 148,Formblatt Beschlagnahmung Vervielfältigungsapparat bei Hoffmann, 18.5.1933.

16KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei, S. 205, Geha AG, Nachfrage nach Paul Gmeiner, 23.5.1933.

17Ebenda, S. 276, Ortspolizei an Untersuchungsrichter Reichsgericht Hannover, Gmeiner, 7.6.1934.

18KPD Göttingen - Beschlagnahme und Einziehung des kommunistischen Vermögens, S. 155, Formblatt Beschlagnahmung, Bücher Hans Leicher, 6.6.1933.

19Verordnung über Verhängung des Ausnahmezustandes und Schutz der Republik, S. 151, Bericht Ahlers, Schutzhäftlinge, vom 13. Juni 1933.

20Durchsuchungen und Festnahmen, S. 10, 10.6.1933: Haussuchung bei Willi Eglinsky und Johann Osche.

21KPD Göttingen - Beschlagnahme und Einziehung des kommunistischen Vermögens, S. 40, Beschlagnahmung Schalmei bei Friedrichs, 24.6.1933.

22Durchsuchungen und Festnahmen, S. 96, Durchsuchung der Wohnung des Schlossers August Wienert, 20.7.1933.

23KPD Göttingen - Beschlagnahme und Einziehung des kommunistischen Vermögens, S. 58–59, Vorladung SA-Mann Fiege zur Durchsuchung Oberecken, 29.7.1933.

24Ebenda, S. 113, Formblatt Beschlagnahmung Trommeln Meyer, 13.11.1933.

25Durchsuchungen und Festnahmen, S. 157, 12.12.1933: Haussuchung der Wohnung des Zimmermanns August Wode.

Rainer Driever