Anna Oehme

wurde am 28.5.1891 in Dammgarten, Kreis Franzburg, geboren. Von 1897-1905 besuchte sie die Volksschule. Als 15-Jährige begann sie in der Landwirtschaft zu arbeiten, später verdiente sie ihr Geld auch als Hauswirtschafterin, beides im Raum Baumgarten, Rostock und Stralsund. 1914 heiratete sie Ernst Oehme und arbeitete während des Krieges in der Munitionsherstellung.1 Anna Oehme wurde Mitglied der SPD, der sie bis 1919 angehörte. Dann orientierte sie sich am Spartakusbund. Ihr Mann diente im Ersten Weltkrieg als Matrose in der Kriegsmarine, dort lernte er auch seinen späteren Freund Karl Meyer kennen. Beide beteiligten sich am Matrosenaufstand.2

Ernst Oehme war Montagearbeiter. Wegen seiner Arbeit siedelten die Oehmes nach Staßfurt über. Dort trat Anna Oehme 1920 der KPD bei. Zusammen mit ihrem Mann wurde sie zudem Mitglied im Freidenkerverband. Am 11.5.1920 wurde ihr Sohn Wolfgang geboren.3 Bis 1926 war sie aktives Parteimitglied. Im selben Jahr zog sie mit ihrem Mann nach Reyershausen bei Göttingen um, wo ihr Mann Arbeit im Kalibergbau fand. Nach dreijähriger Pause betätigte sich Anna Oehme ab 1929 wieder in der KPD. Anscheinend traf sie dort ihren späteren Mitangeklagten Helmut Glüer (Nörten-Hardenberg) wieder, der gelegentlich bei ihr Beiträge für den Freidenkerverband kassierte. Anna Oehme und Glüer gründeten zusammen die KPD-Ortsgruppe Nörten-Hardenberg. Die Verbindungen nach Göttingen waren gut, dort wohnte inzwischen auch der alte Freund Ernst Oehmes, Karl Meyer (Karl Meyer). Karin Rohrig schrieb dazu: Man traf sich sonntags in Maria Spring bei Eddiggehausen, das damals Ausflugslokal war, gemeinsam mit Mitgliedern des ISK, des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes nicht nur aus dem Kreis Göttingen sondern auch aus Hann. Münden und Umgebung.4

Ab dem Jahr 1931 bekleidete Anna Oehme für ein halbes Jahr die Funktion der Frauenschaftsleiterin in Göttingen. Während dieser Zeit besuchte sie dort auch einen Referentenkursus. Als Frauenschaftsleiterin war sie Delegierte in Hannover und trat auch als Diskussionsrednerin auf. Zudem nahm sie an Sitzungen der Roten Hilfe im Gasthaus Zur Scharfen Ecke in der Johannisstraße sowie an mehreren Unterbezirkssitzungen und Kongressen teil.

1932 gründete Anna Oehme auch in Reyershausen eine Ortsgruppe der KPD, trat aber aus Rücksicht auf die Arbeitsstelle ihres Mannes nicht mehr öffentlich in Erscheinung. Der KPD gehörte sie bis zum Verbot an.

Nach der Machtübertragung beherbergte sie im April für zwei Nächte den untergetauchten Rudolf Kräusslein. Er wurde im Zusammenhang mit der Verbreitung des illegalen Roten Stürmers von der Göttinger Polizei gesucht. Anscheinend versuchte Anna Oehme auch, Kräussleins Hoffnungen auf mögliche illegale Arbeit in Göttingen zu dämpfen. In ihrer Verhandlung 1936 bemerkte sie dazu, dass er in der "Beamtenstadt“ Göttingen voraussichtlich doch keine Erfolge erzielen werde.5

In der Zeit vom 5.9. bis 1.10.1933 befand sie sich im Polizeigefängnis in Göttingen in Schutzhaft.

Wie andere KPD-Angehörige auch, nutzte sie die Informationsquelle Radio Moskau. In ihrer Verhandlung ging man davon aus, dass sie sich bei diesen Gelegenheiten auch Notizen über die von dem Sender verbreiteten Nachrichten gemacht habe. Weiter wurde im Urteil ausgeführt: Inwieweit diese Hetznotizen, die offensichtlich zur Verbreitung bestimmt waren, von ihr auch verbreitet worden sind, hat nicht zweifelsfrei festgestellt werden können.6

Am 23.1.1936 wurde sie vorläufig festgenommen und einen Tag später in Untersuchungshaft genommen. Zur Verhandlung vor dem Strafsenat des Oberlandesgerichts Kassel wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens wurde sie spätestens Anfang April 1936 in das Gerichtsgefängnis Kassel überführt.7 In der Verhandlung am 8.4.1936 wurde Anna Oehme zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Ihre sieben Mitangeklagten erhielten Haftstrafen von 10 Monaten bis fünf Jahren. (Urteil PDF)



_____________________________________________________________________

Literatur und Quellen:

Bons, Joachim; Denecke, Viola; Duwe, Kornelia; Löneke, Regina; Tapken, Bernd (Hg.) (1986): "Bohnensuppe und Klassenkampf". Das Volksheim: Gewerkschaftshaus der Göttinger Arbeiterbewegung von der Entstehung im Jahre 1921 bis zu seiner Zerstörung 1944. Göttingen.

Gefangenenpersonalakte Wilhelm Franke: Gerichtsgefängnis Hannover. Hauptstaatsarchiv Hannover, Hann. 86a Hannover Acc. 2000/057 Nr. 239.

Rohrig, Karin (2015): Erinnerungen an die Familie / Widerstand und Selbstbehauptung im Nationalsozialismus. Erzählcafé Göttingen. Verein für freie Altenarbeit. Goldgraben 14, 06.05.2015.



1Gefangenenpersonalakte Wilhelm Franke, S. 22, 8.4.1936 - Urteil des Strafsenats des Oberlandesgerichts Kassel gegen Franke u.a., Urteil S. 12.

2Rohrig 2015, S. 1.

3Bons et al. 1986, S. 87.

4Rohrig 2015, S. 1

5Gefangenenpersonalakte Wilhelm Franke, S. 23, 8.4.1936 Urteil des Strafsenats des Oberlandesgerichts Kassel gegen Franke u.a., Urteil S. 13.

6Ebenda, S. 14.

7Ebenda, S. 2.

Rainer Driever