Ernst Möhring

wurde am 18.11.1893 in Suhl geboren. Nach der Schule absolvierte er eine Lehre als Maschinenbauer in Suhl. Am Ersten Weltkrieg nahm Möhring vier Jahre teil. Bis zum 27.5.1932 arbeitete er als Schlosser im Reichsbahnausbesserungswerk Göttingen. Danach war er arbeitslos.
Möhring war verheiratet mit Maria Keidel, mit ihren drei Kindern wohnten sie in der Paulinerstraße.
1 Im selben Haus wohnte auch sein Bruder Emil.

1926 war Ernst Möhring Vertreter für die KPD in der Stadtverordnetenversammlung Göttingen.2

Für die KPD war er als Zellenobmann tätig, eine Tätigkeit, für die ihn die Ortspolizei auf die Liste mit Haussuchungen setzte, die am 12.8.1932 bei acht Göttinger Kommunisten durchgeführt wurden.3 Zudem war er, wie auch seine Frau und sein Bruder Emil, in der Turnersparte des KPD-Sportvereins Vorwärts aktiv, der im Oktober 1932 gegründet wurde.4

Am 8.5.1933 wurde Ernst Möhring (wie sein Bruder und zwei weitere Göttinger Kommunisten) wegen politischer Umtriebe in Schutzhaft genommen.5 Zugleich wurde eine erneute Haussuchung bei ihm durchgeführt, bei der aufgrund des Verbots des Sportvereins Rot Sport 21 rote Fußballsweater beschlagnahmt wurden. (Die Sweater wurden an die Spielvereinigung Göttingen zum Gesamtpreis von 10,50 RM verkauft.)6

Der Grund seiner Schutzhaft wurde kurze Zeit später auf Anfertigung des illegal hergestellten „Roten Stürmers“ präzisiert. Möhring litt noch unter den Nachwirkungen seiner Magenoperation im Februar. Der akute Stress verstärkte seine Beschwerden so stark, dass er, nachdem er eine Aussage gemacht hatte, am 11. Mai aus der Schutzhaft entlassen wurde. Am nächsten Tag wurde er in der Chirurgischen Poliklinik untersucht. Eine Organveränderung wurde nicht festgestellt, Schonkost aber empfohlen.7

Möhring blieb nicht lange in Freiheit. Am 15.5. wurde er wegen Verdunkelungsgefahr und weil er als staatsgefährlich zu bezeichnen ist im Gerichtsgefängnis Göttingen inhaftiert.8 Der Verdacht, dass Möhring eine Rolle bei der Herstellung des Roten Stürmers gespielt hatte, hatte sich inzwischen verdichtet. (Roter Stürmer)

Am 31.7.1933 wurde er von der Großen Ferienstrafkammer des Landgerichts Göttingen wegen eines Vergehens gegen die Verordnung des Reichspräsidenten vom 4.2.1933 (Verbreitung illegaler Schriften) verurteilt. Die Mitangeklagten Fritz Schaper und Albert Weidemeier erhielten eine Strafe von eineinhalb Jahren, Möhring zusammen mit Rudolf Kräusslein und Martin Strauß je ein Jahr sowie Adolf Kreitz und Peter Ortmanns je zehn Monate Gefängnis.9 (Urteil PDF)

Möhrings Rolle bei der Herstellung der illegalen Zeitung der KPD-Ortsgruppe war anscheinend wesentlich organisatorischer Natur, deshalb wurde er als Hauptbeteiligter eingeschätzt. Er sorgte für eine Gelegenheit für die Aufstellung des Vervielfältigungsapparates und für den Transport desselben.

Nachdem er vom 16.5. - 31.7.1933 in Untersuchungshaft saß, wurde er nach dem Prozess wiederum im Gerichtsgefängnis inhaftiert. Am 19.8. wurde er in das Strafgefängnis Hameln transportiert.10 Dort traf er auf Bekannte, etwa Karl Fischbach aus Göttingen, August Fricke aus Einbeck oder KPD-Genossen aus Bad Lauterberg.11

Sein sowieso bereits angeschlagener Gesundheitszustand wird unter der Haft weiter gelitten haben. Neben einer umfangreichen Krankenvorgeschichte vermerkt sein Krankenblatt allein neun Einträge für den September 1933.12 Darum bemühte er sich in Haft bereits um die Zeit danach, schrieb z.B. Anträge für eine Invalidenversicherung.13

In einer Tagesbeobachtung (periodisch vom Anstaltspersonal vorzunehmende Berichte) vom November 1933 wird er als unzufriedener Mann beschrieben, was angesichts der Umstände nicht verwundert.14 Allerdings unterscheiden sich diese Beobachtungen durchaus voneinander. So schrieb der Pfarrer: Er ist nicht aus Überzeugung Kommunist geworden, sondern durch lange Arbeitslosigkeit und Not in der Familie. (...) Ein Gnadenerweis würde ihm eine Hilfe sein.15 Dieser Verweis auf wirtschaftliche Not als Motiv für eine kommunistische Überzeugung wurde immer dann verwendet, wenn eine positive Einschätzung beabsichtigt war.

Allerdings schloss sich der Anstaltsdirektor nicht der Einschätzung des Seelsorgers an. In seinem Gnadengutachten bescheinigte er Möhring zwar hausordnungsgemäße Führung und zufriedenstellende Arbeitsleistung, hatte aber Zweifel an der „Läuterung“ seines Häftlings. Er schrieb dazu: Seine innere Haltung läßt Einsicht und wahre Reue vermissen. Er hat zwar erkannt, daß sein bisheriges Eintreten für marxistische Parteien mit nachteiligen Folgen für ihn verbunden war, (…) aber den Sinn der nationalsozialistischen Staatsidee hat er nicht begriffen.16

Ernst Möhring wurde am 23.5.1934 entlassen, zwei Wochen später als geplant. Was diese Verzögerung hervorrief, ist nicht bekannt.



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Literatur und Quellen:

Bons, Joachim; Denecke, Viola; Duwe, Kornelia; Löneke, Regina; Tapken, Bernd (Hg.) (1986): "Bohnensuppe und Klassenkampf". Das Volksheim: Gewerkschaftshaus der Göttinger Arbeiterbewegung von der Entstehung im Jahre 1921 bis zu seiner Zerstörung 1944. Göttingen.

Fricke, August (1981): Erinnerungen, Begegnungen, Erfahrungen. Ein Beitrag zur Geschichte der niedersächsischen Arbeiterbewegung. Einbeck: Selbstverl.

Gefangenenpersonalakte Ernst Möhring: Strafgefängnis Hameln. Hauptstaatsarchiv Hannover, Hann. 86 Hameln Acc. 143/90 Nr. 1222.

Gefangenenpersonalakte Fritz Schaper: Strafgefängnis Hameln. Hauptstaatsarchiv Hannover, Hann. 86 Hameln Acc. 143/90 Nr. 1223.

KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir. Göttingen, Fach 155, Nr. 1a.

KPD Göttingen - Beschlagnahme und Einziehung des kommunistischen Vermögens. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir. Göttingen, Fach 31a, Nr. 11.

Sportverein "Vorwärts" Kampfgemeinschaft Göttingen. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir. Göttingen, Fach 155, Nr. 11.



1Gefangenenpersonalakte Ernst Möhring, S. 20, 1.9.1933 - Lebenslauf Möhring.

2Bons et al. 1986, S. 21, 1926 Bürgervorsteher und Magistratsmitglieder Blanke, Möhring, Arnholdt, Herbig.

3KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei, S. 68-68v, Ortspolizei Bericht Durchsuchungen, 12.8.1932.

4Sportverein "Vorwärts" Kampfgemeinschaft Göttingen, S. 1, 20.10.1932 - Sportverein "Vorwärts" Ewald Langer an Magistrat - Gründung Sportverein.

5KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei, S. 177, Ortspolizei, Information über Grund Schutzhaft, 8.5.1933.

6KPD Göttingen - Beschlagnahme und Einziehung des kommunistischen Vermögens, S. 70, Formblatt Beschlagnahmung Sportbekleidung, 8.5.1933.

7KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei, S. 183, Ärztlicher Befund Ernst Möhring, 11.5.1933.

8Gefangenenpersonalakte Ernst Möhring, S. 35, 15.5.1933 - Untersuchungshaft Möhring.

9Gefangenenpersonalakte Fritz Schaper, S. 28, 31.7.1933 - Urteil Landgericht Göttingen gegen Schaper & Gen., S. 1.

10Gefangenenpersonalakte Ernst Möhring, S. 38, 19.8.1933 - Überführung nach Strafgefängnis Hameln.

11Fricke 1981, S. 44, Fricke - Gefängnis in Hameln, Beschreibung Umstände Haft.

12Gefangenenpersonalakte Ernst Möhring, S. 5, Dreher Ernst Möhring - Krankenblatt.

13Ebenda, S. 4, 23.5.1934 - Briefanträge Möhring.

14Ebenda, S. 29, 18.11.1933 - Tagesbeobachtung Möhring.

15Ebenda, S. 31, Gnadensache Möhring – Beurteilungen.

16Ebenda, S. 34/1, Gnadengutachten - Direktor Strafanstalt Hameln.

Rainer Driever