Louise und Karl Meyer

Louise1 Meyer wurde am 4.5.1883 als Minna Johanne Luise Hesse in Bovenden geboren. Ihr Vater war Schmiedemeister und ihr Bruder Geselle in der Schmiede. Ihr Vater starb noch vor dem Zweiten Weltkrieg, ihr Bruder 1939. Nach ihrer Schulzeit verließ sie Bovenden und ging nach Hamburg. Dort verdiente sie sich ihr Geld als Haushaltshilfe. 1910 heiratete sie dort Karl Meyer.

Luise Meyer war vor 1933 Hauptkassiererin der Roten Hilfe in Göttingen und außerdem etwa 4 Jahre lang Mitglied im Freidenkerverband.

Karl Meyer wurde am 18.2.1879 in Weende geboren. Er machte eine Lehre als Drechsler und führt ab 1908 eine eigene Werkstatt im Rosdorfer Weg 12. Diese war nicht sehr erfolgreich, sodass Karl Meyer nach Wilhelmshaven ging und dort auf der Gustloff anheuerte. Während des Ersten Weltkrieges arbeitete er Werftarbeiter in Wilhelmshaven und lernt dort beim Aufstand der Roten Matrosen Ernst Oehme kennen, der als Heizer auf der Scharnhorst arbeitete. Seitdem waren die Familien Meyer und Oehme eng befreundet.

Politisch orientiert sich Karl Meyer vorerst an der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, der er von 1906 bis 1908 angehört, 1922 trat er ihr ein zweites Mal bei. Zwei Jahre später verließ er die Sozialdemokraten und schloss sich der KPD an.2 Seine Frau Luise trat nicht in die KPD ein, Karl Meyer bekleidete im Jahr 1931 in Göttingen die Stelle des Zellenkassierers der KPD.

Bereits in der Nacht des Reichstagsbrandes, am 28.2.1933, wurden bei Gustav Kuhn, Robert Liberty und Karl Meyer (im Rosdorfer Weg 12) Hausdurchsuchungen durchgeführt. Bei Meyer wurden 13 Exemplare der Zeitung Tribunal beschlagnahmt.3

Am 4.4.1933 wurde Karl Meyer als Funktionär der KPD für zwei Tage in Schutzhaft genommen.4 (Schutzhaft) Am 6.4. stellte er, wie seine Mitinhaftierten auch, einen Antrag auf Bearbeitung seines Gartenlandes am Habichtsweg. Als Grund gab er an, dass seine Frau Luise herzleidend war. Auffällig ist der schlechte Gesundheitszustand der Frauen der inhaftierten KPD'ler, alle Inhaftierten gaben bei ihren Anträgen hinreichend unspezifizierte Krankheiten ihrer Ehefrauen als Grund an.5 Meyer wurde noch am 6.4.1933 entlassen.

Am 2.6.1933 wurde Karl Meyer erneut für einen Tag in Schutzhaft genommen. Der Verdacht lautete auf staatsfeindliche Umtriebe. Meyer wurde wieder entlassen, da der Verdacht nicht begründet werden konnte.6

Entweder war Karl Meyer in der Schalmeienkapelle der KPD aktiv oder er bewahrte nur einige Instrumente auf. Im Zuge der Beschlagnahmungen staatsfeindlichen Vermögens wurden bei den Meyers im Rosdorfer Weg noch relativ spät, am 13.11.1933, vier Marschtrommeln aus KPD-Besitz beschlagnahmt. Diese wurden an die SS und die HJ abgegeben.7 (Beschlagnahmung KPD: Agitationsmaterial)

Bis zum Ende des Jahres 1936 tauchen die Meyers nicht mehr in den Quellen auf, in der Zwischenzeit zog das Ehepaar in die Jüdenstraße 46 um. Ihre Wohnung diente anscheinend auch als Treffpunkt für Göttinger Kommunisten. Am 28.11.1936 wurde Karl Meyer zusammen mit Gustav Kuhn verhaftet, die Verhaftungen von Luise Meyer und ihrer späteren Mitangeklagten Nikolaus Oberecken und August Brauch folgten am 13.2.1937. Heinrich Führding saß bereits im Zuchthaus Kassel-Wehlheiden.8 Bis auf Führding saßen die Verhafteten im Göttinger Untersuchungsgefängnis. Das Ehepaar Meyer machte in den Vernehmungen keine Aussage.

Die Vorbereitung der Anklageschrift gegen die sieben Göttinger Kommunisten nahm einige Zeit in Anspruch, sie wurde am 3.8.1937 fertiggestellt. Am 20.8.1937 wurde sie Karl Meyer im Gerichtsgefängnis Göttingen zugestellt.9

Der Prozess folgte im September. Am 14. September 1937 standen sieben Göttinger Kommunisten vor dem Strafsenat des Oberlandesgerichts in Kassel (A.O. Js 284/36).10 Dies waren: Heinrich Führding, August Pläp, Karl und Luise Meyer, Gustav Kuhn, Nikolaus Oberecken und August Brauch. Sie wurden wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens angeklagt und verurteilt.11 Die Ermittlungen ergaben vor allem eine Aufrechterhaltung des organisatorischen Zusammenhangs der illegalen KPD, die Werbung von Mitgliedern, die Zahlung von Beiträgen, den Vertrieb zahlreicher Schriften kommunistischen Inhalts und die Abhaltung verbotener Zusammenkünfte und Hörgemeinschaften des sog. Moskauer Senders.12

Im Einzelnen kamen recht unspektakuläre Vorwürfe zum Tragen, die in ihrer Summe aber zu einer Verurteilung führten. Nicht in seinem „Deliktrepertoire“ zu finden ist das Verstecken von Waffen, allerdings soll Karl Meyer im Herbst 1932 einen Karabiner 98 an Adolf Reinecke (Adolf Reinecke) übergeben haben. Zusammen mit anderen Gewehren versteckte Reinecke diese mit Gustav Weiss (Gustav Weiss) und Gustav Kuhn (Gustav Kuhn) im April 1933 in einem kleinen Waldstück auf dem Kleinen Hagen. Kurz darauf lagerte er sie noch einmal, diesmal professioneller verpackt, in einen Kleingarten um. Die Kiste mit den Waffen wurde anlässlich der Verhaftungen zum Prozess gegen Göttinger Kommunisten im August 1937 ausgegraben und sichergestellt.13 (Waffenversteck PDF)

Meyer wurde zudem vorgeworfen, ab 1933 an Zusammenkünften bei August Pläp teilgenommen zu haben, bei denen sie gemeinschaftlich Radio Moskau hörten und das so Gehörte auf der Grundlage ihrer kommunistischen Einstellung besprachen. Im April 1935 nahm anscheinend Theodor Gassmann (Theodor Gassmann), der frühere Unterbezirksleiter der KPD, Kontakt zu den Meyers auf. Ziel der Gespräche, auch mit anderen Göttinger Kommunisten, war der Neuaufbau von organisatorischen Strukturen.14 In der Anklageschrift heißt es dazu: Diese (die Meyers, RD) begrüßten ihn schon bei seinem Eintritt in die Wohnung mit „Rot Front“, nachdem auch er ihnen den Gruß geboten hatte, und besprachen mit ihm bis spät in die Nacht den illegalen Aufbau. Dabei nannten sie ihm auf seine Frage auch Namen von früheren Genossen, die für den Aufbau geeignet erschienen (…) Nachdem der Zeuge (Theodor Gassmann, RD) in dieser Nacht von den Eheleuten Meyer beherbergt worden war, begab er sich am nächsten Morgen gegen ½ 12 Uhr wieder zu der Ehefrau Siegel. Auf die Frage der Frau Siegel, warum er so spät käme, erklärte er, er habe bei dem Angeschuldigten Meyer bis spät in die Nacht politische Aussprachen gehabt. Außerdem erzählte er, daß er mit der Ehefrau Meyer gut illegal arbeite.

Luise Meyer wurde beschuldigt, an Besprechungen mit Gassmann in ihrer Wohnung über den Wiederaufbau der illegalen KPD in Göttingen teilgenommen zu haben sowie Teil der Hörergemeinschaft gewesen zu sein.15

Karl Meyer wurde zu zweieinhalb Jahren, seine Frau Luise zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Luise Meyer wurde in das Strafgefängnis Wolfenbüttel überführt. Wann Luise Meyer entlassen wurde, ist nicht bekannt. Karl Meyer wurde zunächst in Kassel-Wehlheyden, dann im Strafgefängnis Wolfenbüttel inhaftiert. Am 14.10.1939 aus dem Gefängnis entlassen, seine Untersuchungshaft musste ihm wenigsten teilweise auf die Haftzeit angerechnet worden sein.16 Ihm war zur Auflage gemacht worden, sich spätestens am nächsten Tag bei der Staatspolizei-Außenstelle in Göttingen zu melden. Nach seiner Rückkehr wurde Karl Meyer noch für ein Jahr in einem Konzentrationslager inhaftiert.17

Nach Göttingen entlassen, wurde er für wehrunwürdig erklärt und fand eine Anstellung bei der Firma Wolters. Er musste dort Kohlen schleppen. Luise Meyer arbeitete in verschiedenen Haushalten, u.a. auch bei der jüdischen Familie Gräfenberg.18 Kurz vor Kriegsende wurden die Meyers in ihrer neuen Wohnung in der Gotmarstraße 4 „ausgebombt“.

Bei dem Bombenangriff am 24.11.1944, bei dem die Bomben auch die Paulinerkirche und das Psychologische Institut trafen, gelangte ein Bombensplitter in die Meyersche Wohnung und blieb in der Nähmaschine von Luise Meyer stecken. Die Meyers hatten entgegen ihrer Gewohnheit bei diesem Angriff den Luftschutzkeller der Polizeiwache (heutige Stadtbibliothek) gegenüber aufgesucht. Luise Meyer zog nach diesem Erlebnis zu ihrer Tochter Else nach Bovenden, die die dortige Schmiede leitete. Karl Meyer blieb in der Gotmarstraße.

In dieser Zeit trennte sich das Ehepaar Meyer. Nach Kriegsende bezog Luise Meyer ein Zimmer gegenüber der Wohnung ihres Sohnes Hanko und seiner Familie in der Kapitän-Lehmann-Straße 9. Nach 1945 unterstützte sie die Genossen der KPD mit ihrer Erfahrung.19

Luise Meyer starb am 08.03.1961 im Landeskrankenhaus Hannover. Fünf Jahre später folgte ihr Karl Meyer. Ihre Enkelin erinnerte sich: Sie war schon bettlägerig und hat die Zeit ihrer Inhaftierung im Faschismus noch einmal durchlebt. Immer wenn ein Geräusch zu hören war, meinte sie, es seien Klopfzeichen aus der Nachbarzelle. Wenn im Dunkeln ein Auto vorbeifuhr und sie das Licht der Scheinwerfer sah, sprang sie, soweit es ihre Kräfte zuließen, auf, rief, jetzt kommt die Gestapo und holt uns. Auch ich habe mit ihr gelitten, wenn ich bei ihr war. Dann kamen die Bilder aus meiner Kindheit wieder hoch.20

Karl Meyers Gesundheit hatte unter der Haft stark gelitten, sein Allgemeinzustand wurde als sehr beeinträchtigt eingeschätzt. Seine Erwerbsbeschränkung belief sich auf 50%, ab dem 1.12.1948 bezog er eine Geldrente.21



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Literatur und Quellen

Geschichte der Göttinger ArbeiterInnenbewegung: Luise und Karl Meyer
http://www.inventati.org/ali/index.php?option=com_content&view=article&id=1907:regionale-arbeiterinnengeschichte&Itemid=1#biographien

KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir. Göttingen, Fach 155, Nr. 1a.

KPD Göttingen - Beschlagnahme und Einziehung des kommunistischen Vermögens. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir. Göttingen, Fach 31a, Nr. 11.

Nachlass des Arbeiters Karl Meyer, Göttingen: politische Haft. Stadtarchiv Göttingen, Kleine Erwerbungen Nr. 76.

Rohrig, Karin (2015): Erinnerungen an die Familie / Widerstand und Selbstbehauptung im Nationalsozialismus. Erzählcafé Göttingen. Verein für freie Altenarbeit. Goldgraben 14, 06.05.2015.

Verordnung über Verhängung des Ausnahmezustandes und Schutz der Republik: Schutzhaft. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir., Fach 31a, Nr. 2, Bd. 1.



1Louise Meyer wurde ursprünglich „Louise“ geschrieben, sie selbst hat sich aber immer „Luise“ geschrieben und wird auch so in der Literatur genannt.

2Rohrig 2015, S. 1 sowie Geschichte der Göttinger ArbeiterInnenbewegung
http://www.inventati.org/ali/index.php?option=com_content&view=article&id=1907:regionale-arbeiterinnengeschichte&Itemid=1#biographien.

3KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei, S. 91-91v, 28.2.1933: Ortspolizei Bericht Durchsuchungen bei Kommunisten.

4Verordnung über Verhängung des Ausnahmezustandes und Schutz der Republik, S. 168v, Schutzhaft.

5KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei, S. 150-150v, Ortspolizei Meldung Schutzhäftlinge, Gartenbearbeitung, 6.4.1933.

6Verordnung über Verhängung des Ausnahmezustandes und Schutz der Republik, S. 151, Bericht Ahlers, Schutzhäftlinge, vom 13. Juni 1933.

7KPD Göttingen - Beschlagnahme und Einziehung des kommunistischen Vermögens, S. 113, Formblatt Beschlagnahmung Trommeln Meyer, 13.11.1933.

8Nachlass des Arbeiters Karl Meyer, Göttingen, S. 1, Der Generalstaatsanwalt, O.Js. 284/36, Kassel, den 3. August 1937, Anklageschrift.

9Ebenda, Göttingen, S. 2.

10Nachlass des Arbeiters Karl Meyer, Göttingen, Göttingen, S. 9, Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht für Hessen, Zweigstelle Kassel, Aufhebung Urteil, 15.9.1949.

11Ebenda, Göttingen, S. 1, Der Generalstaatsanwalt, O.Js. 284/36, Kassel, den 3. August 1937, Anklageschrift.

12Ebenda, Göttingen, S. 1 und 2.

13Ebenda, Göttingen, S. 12.

14Ebenda, Göttingen, S. 9.

15Ebenda, Göttingen, S. 10.

16Ebenda, Göttingen, S. 5, Entlassungsschein Karl Meyer, 14.10.1939.

17Rohrig 2015, S. 2, Karl und Luise Meyer, Prozess und Haft, Entwicklung der 30er Jahre.

18Ebenda, S. 2, Karl und Luise Meyer, Prozess und Haft, Entwicklung der 30er Jahre.

19Geschichte der Göttinger ArbeiterInnenbewegung: Luise und Karl Meyer
http://www.inventati.org/ali/index.php?option=com_content&view=article&id=1907:regionale-arbeiterinnengeschichte&Itemid=1#biographien

20Rohrig 2015, S. 6, Inhaftierung, Luise Meyer, Traumatisierung.

21Nachlass des Arbeiters Karl Meyer, Göttingen, S. 13v, Kreissonderhilfsausschuss Stadt-Kreis Göttingen, Sonderhilfe-Bescheid Karl Meyer, 7.2.1950.

Rainer Driever