Rudolf Kräusslein1

wurde am 4.1.1905 in Sonneberg geboren. Von 1919 bis 1922 absolvierte er eine Lehre als Drucker, war aber danach zunächst arbeitslos. Nach sechs Monaten fand er eine Anstellung in einer Fabrik in Sonneberg, zog aber bereits im September 1922 nach Göttingen. Dort hatte er zunächst Schwierigkeiten, eine Arbeit zu finden, arbeitete dann aber im Transportgewerbe. Bis zum August 1930 war er für die Firma Winkelhoff und Glaeser tätig, danach war er wiederum arbeitslos. Er wohnte mit seiner Frau Alwine (geb. Schneemann) und zwei Kindern im Maschmühlenweg.2

Kräusslein war politisch für die KPD tätig und galt der Polizei als Funktionär der Partei. Am 2.7.1932 zog eine Demonstration der Eisernen Front durch die Innenstadt. Kräusslein marschierte mit der KPD-Schalmeienkapelle an der Spitze des Zuges. Im Verlauf der Demonstration kam es zu einzelnen Schlägereien und einem Übergriff auf einen Polizisten. Dies führte zur Verhaftung Kräussleins am 4.7. und zu einer Anklage wegen Anreizens zu Gewalttätigkeiten. Er wurde am 16.7.1932 deswegen zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt.3 (Urteil PDF)

Kräusslein trat seine Haftstrafe am 12.11.1932 im Strafgefängnis Hameln an und wurde, da seine Untersuchungshaft angerechnet wurde, bereits am 22.12.1932 wieder entlassen.4

Nach der Machtübertragung tauchte er unter. Gesucht wurde er zunächst als Funktionär der KPD, ab dem April 1933 aber auch im Zusammenhang mit der Herstellung des illegalen Roten Stürmers. Im Verhör des Friedrich Ische (Pol.-Leiter KPD-Ortsgruppe Grone) am 26.4. gab dieser an, Kräusslein wäre in letzter Zeit oft bei ihm gewesen. Auch Anna Oehme gab in ihrer Verhandlung am 8.4.1936 an, dass Kräusslein Ende April 1933 in ihrer Wohnung in Reyershausen war. Er hätte mit ihr über die Möglichkeit einer weiteren illegalen Arbeit (...) sprechen wollen. Mit Rücksicht auf seine Unerfahrenheit und sein jugendliches Alter will sie ihn aber davon abgehalten und ihm vorgestellt haben, dass er in der "Beamtenstadt“ Göttingen voraussichtlich doch keine Erfolge erzielen werde. Anna Oehme beherbergte den Gesuchten zwei Nächte.5

Am 2. Mai gelang der Polizei die Verhaftung Kräussleins.6 Zwei Wochen später wurde er wegen Verdunkelungsgefahr und weil er als staatsgefährlich zu bezeichnen ist in das Gerichtsgefängnis Göttingen überführt und dort als Untersuchungshäftling geführt.7 Für ihn und seine Mitgefangenen in der Sache Roter Stürmer (Fritz Schaper, Adolf Kreitz und Ernst Möhring) sah die Ortspolizei nach der Haftentlassung die Überführung in ein Konzentrationslager vor, da eine Fortsetzung ihrer illegalen staatsfeindlichen Arbeit nach ihrer Entlassung anzunehmen ist.8

Diese Überführung fand nicht mehr statt. Am 31.7.1933 verkündete die Große Ferienstrafkammer des Landgerichts Göttingen ihr Urteil gegen Schaper und Genossen wegen Verbreitung des illegalen Roten Stürmers. (Urteil PDF) Kräussleins Strafe lag mit einem Jahr Gefängnis im Mittelfeld der Strafbemessung, seine Beteiligung wurde hauptsächlich in der Verteilung der Zeitung gesehen. Seine Untersuchungshaft vom 16.5. - 31.7.1933 sollte auf das Strafmaß angerechnet werden.9

Am 8.8.1933 wurde Rudi Kräusslein in das Strafgefängnis Hameln eingeliefert. Sein Haftende wurde für den 23.5.1934 vermerkt.10 Er wurde als Überzeugungstäter geführt und in einer Gemeinschaftszelle untergebracht. Mit Haftbeginn wurde er auch zur Arbeit eingeteilt.11

Während seiner Haft in Hameln wurde Mitte November eine Anzeige gegen ihn gemacht: K. und 1027/33 Strauß begrüßten sich beim Spaziergang mit dem KPD-Gruß, indem sie die rechte Faust ballten und den Arm hoben. Kräusslein bemerkte dazu bei der Vernehmung, er habe die Hand an die Mütze gelegt aber nicht die Faust geballt. In einer weiteren Vernehmung am 2.12.1933 gab er zu, den „roten Gruß“ des Gef. Krauß (!) in eindeutig militärischer Weise bemerkt zu haben. Aus seiner kommunistischen Überzeugung machte Kräusslein während des Verhörs keinen Hehl. Er gab zudem dazu an, dass die politische Linie ihm jedoch schon länger zweifelhaft geworden war, er habe aber(…) das noch nicht klar erfahren lassen wollen, weil er dann als abtrünniger Arbeiter gälte.12

Anfang des Jahres 1934 war Kräusslein beschäftigungslos, in einer Tagesbeobachtung wurde seine Führung als ordnungsgemäß festgehalten.13 Etwas später vermerkte ein Justizbeamter: (Er) versucht durch möglichst rüpelhaftes Benehmen Eindruck auf seine Mitgefangenen zu machen. (…) Läuft oft mit den Leuten in der Abteilung umher.14

Am 23.5.1934 wurde Kräusslein nach Göttingen entlassen.15Als er dort ankam, vermisste er sein Fahrrad. Es war bereits während seiner Untersuchungshaft am 17.6.1933 beschlagnahmt worden.16 Er stand weiterhin in den Überwachungslisten der Polizei, am 18.8.1934 wurde eine erneute Haussuchung bei ihm durchgeführt. Er stand im Verdacht, an der Verbreitung von kommunistischen Streuzetteln im Stadtgebiet beteiligt gewesen zu sein. Bei ihm sowie August Todenhagen und Walter Person (alle Maschmühlenweg) verliefen die Durchsuchungen allerdings erfolglos.17

1936 wurde Kräusslein im Prozess gegen die KPD-Gruppe Nörten-Hardenberg als Zeuge vernommen. In seiner Befragung ging es vor allem um den Roten Stürmer und seine Kontakte zu Anna Oehme. (Urteil PDF)

Am 25.8.1937 wurde Kräusslein erneut in Schutzhaft genommen. Er hatte in der Gastwirtschaft von Stieg die Zusammenkunft des Führers und des Duce als Krampf bezeichnet. Wie lange seine neuerliche Haft dauerte, ist unbekannt.18



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Quellen:

Durchsuchungen und Festnahmen: Verfolgung Systemgegner. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir. Göttingen, Fach 31a, Nr. 9.

Gefangenenpersonalakte Rudolf Kräusslein: Strafgefängnis Hameln. Hauptstaatsarchiv Hannover, Hann. 86 Hameln Acc. 143/90 Nr. 1220.

Gefangenenpersonalakte Wilhelm Franke: Gerichtsgefängnis Hannover. Hauptstaatsarchiv Hannover, Hann. 86a Hannover Acc. 2000/057 Nr. 239.

KPD Göttingen - Beschlagnahme und Einziehung des kommunistischen Vermögens. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir. Göttingen, Fach 31a, Nr. 11.

Schutz des deutschen Volkes (Schutzhaft): Schutzhaft, Haussuchungen, Notverordnungen. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir. Göttingen, Fach 31a, Nr. 1, Bd. 2.

Verächtlichmachung der Reichsregierung. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir. Göttingen, Fach 31a, Nr. 8.

Verordnung über Verhängung des Ausnahmezustandes und Schutz der Republik: Schutzhaft. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir. Göttingen, Fach 31a, Nr. 2, Bd. 1.



1Zu den Namen tauchen in den Akten verschiedene Schreibvarianten auf. Das fällt bei Kräusslein besonders auf. Der Bruder Max Kräußlein (geb. 1900 in Sonneberg) wird mit „ß“ geschrieben, die Schwester Anna Kräusslein (ebenfalls aus Sonneberg) schrieb sich mit „ss“. Rudolf wurde ursprünglich mit „ss“ in die Kartei aufgenommen, anlässlich seiner amtlichen Todeserklärung im Jahr 1951 wurde das aber in „Kräuslein“ mit nur einem „s“ verbessert.

2Gefangenenpersonalakte Rudolf Kräusslein, S. 11, 1.9.1933 - Lebenslauf Kräusslein.

3Ebenda, S. 30, 4.10.1932 - Urteil gegen Kräusslein - Anreizen zu Gewalttätigkeiten.

4Ebenda, S. 28, 22.11.1932 - Haft Kräusslein, Vorstrafen.

5Gefangenenpersonalakte Wilhelm Franke, S. o.pag. 23, 8.4.1936 Urteil des Strafsenats des Oberlandesgerichts Kassel gegen Franke u.a., Urteil S. 13.

6Verordnung über Verhängung des Ausnahmezustandes und Schutz der Republik, S. 147, Bericht Ippensen, Zahl der Schutzhäftlinge, 13.05.1933.

7Gefangenenpersonalakte Rudolf Kräusslein, S. 43, 15.5.1933 - Haftsache Kräusslein – Verdunkelungsgefahr.

8Schutz des deutschen Volkes (Schutzhaft), S. 31v, Bericht Ippensen über Schutzhäftlinge vom 16.05.1933.

9Gefangenenpersonalakte Rudolf Kräusslein, S. 13, 19.8.1933 - Staatsanwaltschaft Göttingen - Haftsache Kräusslein.

10Ebenda, S. 2, 29.8.1033 - Stammblatt Rudi Kräußlein Strafgefängnis Hameln.

11Ebenda, S. 6, 29.8.1933 - Gemeinschaftsunterbringung Kräusslein.

12Ebenda, S. 8, 15.11.1933 - Anzeige Kräusslein und Strauss.

13Ebenda, S. 19, 17.2.1934 - Tagesbeobachtung Kräußlein.

14Ebenda, S. 20, 24.2.1934 - Tagesbeobachtung Kräusslein.

15Ebenda, S. 1, 23.5.1934 - Entlassungsvermerk Hameln für Rudi Kräußlein.

16KPD Göttingen - Beschlagnahme und Einziehung des kommunistischen Vermögens, S. 15, Formblatt Beschlagnahmung Fahrräder Kuhn und Kräusslein, 17.6.1933.

17Durchsuchungen und Festnahmen, S. 168, 18.8.1934: Ortspolizei: Durchsuchung bei früher kommun. gesinnt gewesenen Personen.

18Verächtlichmachung der Reichsregierung, S. 392v-393, 01.1937 - Verstöße gegen das Heimtückegesetz.

Rainer Driever