Erna Düker

wurde am 28.2.1901 in Berlin als Tochter der Familie Bräseke geboren. Sie arbeitete als Kontoristin und war politisch im ISK engagiert. 1933 ging sie in die Illegalität und wurde zweimal verhaftet.

Verheiratet war sie mit dem ISK-Mitglied Heinrich Düker, den sie im Rahmen der politischen Arbeit kennenlernte. Im April 1939 wurde sie in Berlin zu 9 Monaten Gefängnis verurteilt und erholte sich nach der Haft von ihren schweren Depressionen in einem Sanatorium. Sie bewohnte in Berlin mit ihrem Mann Heinrich einige provisorische Zimmer bei ISK-Freunden, bevor die Dükers eine eigene Wohnung in der Wittenbergstraße bezogen. Am 30.11.1942 kam ihre Tochter Marianne zur Welt. Die Dükers wurden in Berlin ausgebombt und zogen im Dezember 1943 zurück nach Göttingen in die Lotzestraße.1 Ende 1944 wurde Erna Düker mit ihrem Mann zusammen verhaftet, nach Berlin transportiert und im Gestapo-Gefängnis am Alexanderplatz inhaftiert. (Heinrich Düker) Erna Düker schrieb im August 1945 einen Bericht über die Verhaftung und ihre Haftzeit. Zur Verhaftung schrieb sie:

Mir war, als ging ein schwarzer Vorhang vor meinen Augen nieder, als ich mich am Morgen des 29.12.44 gemeinsam mit meinem Mann von unserem 2 jährigen schreienden Kinde verabschiedete, um in Begleitung zweier Kommissare den Weg nach Berlin zu einem politischen Verhör anzutreten. Vorher hatten die Beamten eine 2 ½ stündige intensive Haussuchung vorgenommen. Als sie den Schreibtisch durchwühlten, hatte ich hinter dem Rücken der Kommissare am Kaffeetisch sitzend noch Gelegenheit, die Adressen aus meinem Notizbuch zu reissen. Ebenso konnte ich noch schnell einen abends geschriebenen Brief in die Toilette werfen. Einer Lehrergenossin aus Hannover, die uns besuchen wollte, warf ich die Tür vor der Nase zu, indem ich sagte: „Geh' weg.“ Ich wusste, dass diese die andern Freunde von unserm Schicksal in Kenntnis setzen würde. Als der Beamte hinterher kam, war es schon zu spät. Man sah, dass die Kommissare sichtlich verärgert waren, dass sie weder Waffen noch Flugblätter in unserer Wohnung fanden. Nur ein Nelsonbuch hielten sie uns triumphierend unter die Nase. Ihren Vorschlag, das Kind in ein NSV-Heim (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) zu stecken, lehnte ich ab, da das Kind in der Obhut der Hausangestellten bleiben könne bis ich von dem politischen Verhör, das ja schliesslich nur einige Tage dauern könne, zurückkehrte. In den nächsten Tagen sollte die uns befreundete Untermieterin aus den Ferien kommen. Und ich wusste von dieser, dass sie sich des Kindes annehmen würde. Das Kind blieb also im Hause.

Auf dem Wege zum Bahnhof durfte ich meinen Mann, der infolge einer Kriegsverletzung Prothesenträger ist, stützen. Die beiden Beamten gingen hinter uns her und achteten auf unser Gespräch. Wir unterhielten uns zum Schein über ganz gleichgültige Dinge und verständigten uns untereinander durch kurze Stichworte hinsichtlich unserer Aussagen. Unsere Lage war insofern schwierig, da es zwei verschiedene Angelegenheiten sein konnten, die unsere Verhaftung veranlasst haben konnten. Vor etwa einem Jahre hatten wir, damals in Berlin wohnend, illegale Beziehungen zu der Zentraleuropäischen Union in Berlin. Von diesem Kreis waren inzwischen 5 Genossen hingerichtet worden. Die Todesstrafe des 4. Genossen war hinausgeschoben worden, weil er für eine spezielle Rüstungsarbeit (wissenschaftliche Untersuchungen über die Anwendung von Gas) eingesetzt wurde. Die Frau des letzteren Genossen stand noch mit uns in Verbindung.

Die Verhaftung konnte aber auch den Grund haben, dass die Polizei auf irgendeine Weise Nachricht davon bekommen hatte, dass uns eine Genossin A. K. (Aenne Kappius) aus der Schweiz zweimal besucht hatte, um die Verbindung aufzunehmen.

Mit dem Zuge in Berlin angekommen, wurden wir mit dem Auto ins Polizeipräsidium am Alexanderplatz gebracht. Dort wurde ich von meinem Manne getrennt und wir haben gegenseitig nichts mehr voneinander gehört. Ich kam in Einzelhaft. Am nächsten Tage gab es Alarm. Unter Geschrei und Geschimpfe wurden wir von den Wachtmeisterinnen in einen Parterre-Raum geführt. Dort entdeckte ich plötzlich unter den Hunderten von Frauen drei Genossinnen von uns. Wir verkrochen uns unauffällig in einer Ecke und verständigten uns über die Aussagen. Es handelte sich tatsächlich um den Besuch der A. K. aus der Schweiz. Ich konnte die Genossinnen informieren, dass mein Mann und ich die Bekanntschaft und den Besuch der A. K. ableugnen würden. (Unserer Hausangestellten hatten wir die Genossin vorsorglich unter einem falschen Namen vorgestellt). Am 5.1.45 wurde ich zum Verhör nach der Prinz Albrecht Str. gebracht.2 (Erna Düker: Meine Erlebnisse im Gefängnis PDF)

Erna Düker blieb bis Ende April in Haft und kam zunächst bei ihre Kusine in Berlin unter. Bereits im Mai 1945 gelang ihr der Rückweg nach Göttingen.

Sie ging im Herbst 1945 mit ihrem Mann nach Marburg. Dort trat sie am 1.12.1945 der SPD bei. Für die Sozialdemokraten wurde sie Stadtverordnete und Frauengruppenleiterin. Nach dem Parteiausschluss ihres Mannes verließ sie am 10.1.1967 die Partei.3



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Literatur und Quellen

Internationaler Jugend-Bund (IJB) / Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK), Aktengruppe: ISK, Korrespondenz B (1933 - 1946): Berichte Nachkrieg. Archiv der sozialen Demokratie, 4/IJB-ISK000059.

Lemke-Müller, Sabine (1996): Ethik des Widerstands: der Kampf des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes (ISK) gegen den Nationalsozialismus; Quellen und Texte zum Widerstand aus der Arbeiterbewegung 1933 - 1945. Bonn: Dietz.

Rüther, Martin (1998): Deutschland im ersten Nachkriegsjahr: Berichte von Mitgliedern des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes (ISK) aus dem besetzten Deutschland 1945/46. Unter Mitarbeit von Uwe Schütz und Otto Dahn (Hrsg.). München: Saur (Texte und Materialien zur Zeitgeschichte).



1Lemke-Müller 1996, S. 336 f., 1941, Berlin: Zitat aus: Heinz Scheer: Erfahrungen in der Nazi-Zeit. Gespräch mit Nora Walter (Frühjahr 1994), in: Lemke-Müller, 326-252.

2Internationaler Jugend-Bund (IJB) / Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK), Aktengruppe: ISK, Korrespondenz B (1933 - 1946), S. 2a, Aug. 1945 - Erna Düker - Meine Erlebnisse im Gefängnis, S. 1.

3Rüther 1998, S. 572, Düker, Erna, biografische Daten.

Rainer Driever