Schutzhaft

Bereits die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz des deutschen Volkes vom 4.2.1933 (Verordnung PDF) sah eine erweiterte Polizeihaft von bis zu drei Monaten vor. Die Inhaftierung war allerdings noch an den Verdacht strafbarer Handlungen gebunden und eine Anrufung eines Amtsrichters war möglich.

Diese Einschränkungen wurden mit der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat (PDF) vom 28. Februar aufgehoben. Diese schrieb mit § 1 die Außerkraftsetzung der Bürgerrechte fest und ermächtigte in § 2 die neuen Machthaber, die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nötigen Maßnahmen zu treffen. Alleinige Voraussetzung für die Schutzhaft war die Feststellung staatsfeindlichen Verhaltens.1

Am 7. März wandte sich der Regierungspräsident in Hildesheim an die Ortspolizeibehörden:
An alle Polizeibehörden. Zur Richtigstellung irrtümlicher Auffassung wird darauf hingewiesen, dass Schutzhaft im Rahmen des § 1 der V.O. vom 28.Februar 1933 (*siehe unten) eine rein polizeiliche Massnahme ist, bei der jede Mitwirkung der Gerichte ausgeschlossen ist. Insbesonders kommt eine Vorführung vor den Richter nicht in Frage.
Innenminister, Kommissar des Reiches
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Orte der Schutzhaft waren meist die städtischen Polizeigefängnisse. Wenn diese, wie in Göttingen, ihre Aufnahmekapazität erreicht hatten (in Göttingen bei knapp über 20 Gefangenen), wich man auf die Gerichtsgefängnisse aus. Waren diese überfüllt, wie z.B. im Dezember 1933 für das Göttinger Gerichtsgefängnisses überliefert3, so konnte man seitens der Polizei auf die entstehenden Konzentrationslager zurückgreifen.

Mit der Schutzhaft als polizeiliche Maßnahme war vor allem ein „Abschreckungseffekt“ intendiert. Sie ließ sich, im Gegensatz zur staatsanwaltlichen Klageerhebung, schnell und unkompliziert anwenden. Durch kaum rational nachzuvollziehende Gründe für Inhaftnahme und Entlassung entstand damit ein Klima massiver Verunsicherung. Nach erfolgter Schutzhaft mussten die Entlassenen sich häufig täglich bei der Polizei melden.

Im Laufe des Jahres 1933 versuchte das Reichsjustizministerium, die Verhängung der Schutzhaft wieder an rechtsförmliche Verfahren zu binden. In der Verfolgung Andersdenkender hatte es sich eingebürgert, die Schutzhaft als Ersatz für Strafverfahren oder eine gerichtliche Strafe einzusetzen. Diese Bemühungen hatten in der Praxis wenig Erfolg.4



* In § 1 heißt es:
Die Artikel 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 der Verfassung des Deutschen Reichs werden bis auf weiteres außer Kraft gesetzt. Es sind daher Beschränkungen der persönlichen Freiheit, des Rechts der freien Meinungsäußerung, einschließlich der Pressefreiheit, des Vereins- und Versammlungsrechts, Eingriffe in das Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis, Anordnungen von Haussuchungen und von Beschlagnahmen sowie Beschränkungen des Eigentums auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten gesetzlichen Grenzen zulässig.



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Literatur und Quellen:

Cornelius, K. (2006): Vom spurlosen Verschwindenlassen zur Benachrichtigungspflicht bei Festnahmen: BWV, Berliner Wiss.-Verlag. Online verfügbar unter https://books.google.de/books?id=2i4_-A5CdoAC.

Gefangenenpersonalakte Willi Eglinsky: Strafgefängnis Hameln. Hauptstaatsarchiv Hannover, Hann. 86 Hameln Acc. 143/90 Nr. 1503.

Schutz des deutschen Volkes (Schutzhaft): Schutzhaft, Haussuchungen, Notverordnungen. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir. Göttingen, Fach 31a, Nr. 1, Bd. 2.



1Cornelius 2006, S. 71.

2Schutz des deutschen Volkes (Schutzhaft), S. 20, Regierungspräsident Hildesheim, 7.3.1933.

3Gefangenenpersonalakte Willi Eglinsky, S. 21, 19.12.1933 - Gerichtsgefängnis Göttingen an Strafgefängnis Hameln - Transport Eglinsky.

4Cornelius 2006, S. 72.

Rainer Driever