Stationen der Stadtgeschichte

1475/76 - Göttinger Tuchwirtschaft wirbt ausländische Fachkräfte an

Seit dem 14. Jahrhundert hatte sich in Göttingen die Tuchindustrie zu einem der wichtigsten Wirtschaftszweige entwickelt, deren aus Wolle und Leinwand hergestellte Produkte zunächst nur in der näheren Umgebung verkauft wurden. Mit der Wende zum 15. Jahrhundert eroberten die Göttinger Tuche dann auch den überregionalen Markt. Die Göttinger Wollen- und Leineweber exportierten nach Holland, England und in den von der Hanse beherrschten Raum rings um die Ostsee. Auch zur heutigen Partnerstadt Thorn stand Göttingen damals bereits in Handelsbeziehungen, wie durch Münzfunde bestätigt wird.

Göttinger Stoffproben aus späterer Zeit (1. Hälfte 18. Jh.) In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts geriet die Göttinger Tuchwirtschaft allerdings zunehmend unter den Druck hochwertiger Erzeugnisse vor allem aus Flandern. Die Auswirkungen waren die gleichen wie in ähnlichen Situationen heutzutage. Die Gewinne der Produzenten und Händler schrumpften ebenso wie das Steueraufkommen der Stadt. In dieser Lage tat die Stadtobrigkeit das, was jede gute Regierung in einem solchen Fall tun sollte: Sie entschloss sich zu einer aktiven Wirtschaftspolitik mit dem Ziel, ausländische Experten ins Land zu holen, um den Anschluss an die technische Entwicklung wiederzugewinnen.

Als daher Göttinger Kaufleute 1475/76 auf der Messe im niederländischen Deventer waren, warben sie drei mit den neuen Produktionsmethoden vertraute Weber ab, denen bald weitere Spezialisten folgten. Diese als "neue Wollenweber" oder "Drapeniere" bezeichnete Gruppe wuchs rasch an und spielte in Göttingen bald eine wichtige Rolle.

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