Chronik für das Jahr 1951

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1. Dezember 1951

Im "Deutschen Theater" fand die Uraufführung der von Heinz Hilpert besorgten deutschen Fassung des französischen Schauspiels "Der Korsar" von M. Achard statt. Das Stück hat in der großen auswärtigen Presse keine gute Kritik gehabt und wurde auch vom hiesigen Publikum nur geteilt aufgenommen.

Die Oberstadtdirektoren und Stadtkämmerer von 16 niedersächsischen Städten hielten ihre turnusmäßig alle vier Wochen stattfindende Sitzung im Göttinger Rathaus ab.

2. Dezember 1951

Mit einer Festsitzung im großen Hörsaal des Physiologischen Instituts beging die Universitäts-Frauenklinik ihr 200 jähriges Bestehen. Zahlreiche Gynäkologen aus ganz Deutschland waren anwesend. Die Anstalt ist als erstes Entbindungsinstitut Deutschlands, wahrscheinlich sogar der ganzen Welt, am 6. Dezember 1751 von dem damaligen Professor der Gynäkologie, Johann Georg Roederer, gegründet worden. Zu dem Jubiläum erschien eine die Entwicklung der Frauenklinik wie der Gynäkologie in Göttingen darlegende wissenschaftliche Festschrift.

5. Dezember 1951

Heute sind das Grundbuchamt und die Gerichtskasse vom Wilhelmsplatz in das frühere Gebäude der Kreissparkasse, Wendenstraße 8, umgezogen. Dadurch bessern sich die viel zu beengten Raumverhältnisse im Amtsgericht am Wilhelmsplatz etwas.

An den Folgen eines Schlaganfalles verstarb im 67. Lebensjahr der Verlagsleiter der Göttinger Druckerei- und Verlagsgesellschaft, Franz Arnholdt. Am 1. Januar 1885 in Leipzig-Plagwitz geboren, kam er im Jahre 1907 als Optiker bei der Firma Winkel nach Göttingen. Von 1919 bis 1933 war der Verstorbene Vorsitzender des Deutschen Metallarbeiterverbandes in Göttingen und als solcher in der Gewerkschaftsbewegung sehr aktiv. Während der nationalsozialistischen Zeit politisch kaltgestellt, widmete er sich nach dem Zusammenbruch 1945 wieder der Kommunalpolitik und wurde schon im November dieses Jahres in dem von der britischen Besatzungsmacht ernannten Rat Ratsherr, dem er später als gewähltes Mitglied bis zu seinem Tod angehört hat. Im Jahre 1947/48 bekleidete er als Vertreter der damals stärksten Fraktion im Rat, der Sozialdemokratischen Partei, das Amt des Oberbürgermeisters.

Der Heimgegangene erfreute sich seines bescheidenen, gerechten und pflichtbewußten Wesens halber weit über seine Partei hinaus größter Wertschätzung. Er hatte politische Gegner, doch keinen persönlichen Feind, war vielmehr allgemein beachtet. Das Rathaus hatte nach Bekanntwerden des Todes bis zur Beisetzung Franz Arnholdts am 10. Dezember zu seinem Gedächtnis die Stadtfahne mit Trauerflor gesetzt.

7. Dezember 1951

In der heutigen öffentlichen Ratssitzung wurde der gesamte Vorstand des Rates einstimmig wiedergewählt. Für das Jahr 1952 bleibt also Rechtsanwalt Föge von der Freien Demokratischen Partei Oberbürgermeister, Ratsherr von der Sozialdemokratischen Partei erster und Ratsherr Berg (Christlich-Demokratische Union) zweiter Stellvertreter. Auch die Ratsausschüsse wurden einstimmig wiedergewählt.

An diese nur fünf Minuten dauernde öffentliche Sitzung schloß sich eine vertrauliche an, in der die seit Monaten umstrittene Frage der Neubesetzung des Oberstadtdirektor-Postens für die nächste Zukunft entschieden werden sollte. Nach heftigen Debatten und mehrstündiger Dauer der Sitzung konnte jedoch wiederum keine Einigung erzielt werden. Der Antrag, die Amtszeit des bisherigen Oberstadtdirektors Schmidt noch einmal zu verlängern, wurde abgelehnt. Ebenso ein anderer Antrag, eine auswärtige Persönlichkeit zunächst kommissarisch einzusetzen. Da Oberstadtdirektor Schmidt am 31. Dezember aus seinem Amt scheiden wird, bleibt die Frage seiner Nachfolge weithin ungeklärt.

8. Dezember 1951

Als Vertreter des amerikanischen Oberkommissars Mc Cloy übergab Professor Dr. Husserl dem Juristischen Seminar der Universität eine 1731 Bände umfassende Fachbibliothek über amerikanisches Recht. "Diese Bücher sind ein Geschenk des amerikanischen Volkes und sollen dazu beitragen, das wir von einander lernen" erklärte Professor Husserl. Eine gleiche Spende wurde an acht weitere westdeutsche Universitäten wie an das Bundesgericht in Karlsruhe überwiesen.

14. Dezember 1951

Nach kurzer schwerer Krankheit starb, erst 45 Jahre alt, der Leiter des städtischen Verkehrsamtes, Heinz Waldheim. Seit 1934 im Dienste der Stadt, wird ihm der Aufbau und die lebendige Entwicklung des städtischen Verkehrsamtes verdankt, um das er sich bedeutende Verdienste erworben hat.

16. Dezember 1951

Die St. Paulus-Kirche erhielt als Ersatz für die vier ihr 1942 für den Krieg fortgenommenen drei andere Glocken. Sie haben früher in Schlesien (Oppeln, Gröpnich und Friedeberg) gehangen und sind in den Jahren 1637, 1699 und 1702 gegossen worden. Während des Krieges von der Einschmelzung verschont geblieben, haben sie seither in dem großen Glockenlager in Hamburg gelegen, von wo sie jetzt als sogenannte "Patenglocken" hierher gekommen sind. In einer schlichten Feier übergab Dechant Marheinecke die Glocken an die Gemeinden. Gleichzeitig erhielt auch die St. Michaelis-Kirche zwei Patenglocken.

19. Dezember 1951

Die reformierte Gemeinde konnte den Tag begehen, an dem vor 200 Jahren ihr erster Prediger (der von Bremen berufene Gerhard Hemessen) in dem im zweiten Stock der Universitäts-Apotheke gelegenen Gemeindesaal seiner Antrittspredigt hielt.

Heute fand vor der Zweiten Strafkammer des Landgerichts Göttingen die Verhandlung gegen den Göttinger cand.med. von Studtnitz vom Corps "Bremensia" wegen Schlagens von Mensuren statt. Der Prozeß war weit über das Örtliche hinaus von grundsätzlicher Bedeutung. Es galt hier, erstmalig nach Wiederaufleben der alten studentischen Korporationen eine rechtliche Klärung zu erreichen, ob es sich bei der studentischen Mensur um Sportspiel oder um Zweikampf mit tödlicher Waffe handelt. Gegner wie Anhänger der studentischen Verbindungen und der Mensuren waren in gleicher Weise hieran interessiert. Infolgedessen war der Andrang des Publikums äußerst lebhaft, seit Tagen waren die Eintrittskarten ausverkauft, die große Presse war stark vertreten. Es kam zu einem Freispruch. Der Vorsitzende erklärte indessen in seiner Urteilsbegründung ausdrücklich, es sei damit nichts darüber gesagt, ob es in heutige Zeit angebracht sei, Mensuren zu schlagen. Viele, vor allem jene, die durch Krieg und Gefangenschaft gegangen sind, verneinen diese Frage. Gegen den Freispruch wird die Staatsanwaltschaft einlegen.

21. Dezember 1951

Vor geladenen Gästen wurde heute die auf dem Grundstück des einstigen Hotels "Zur Krone" in der Weender Straße geschaffene Gaststätte "Alte Krone" eröffnet. Sie ist im Besitz der größten Braustätte Deutschlands, der Dortmunder Union-Brauerei. Den Umbau leitete Architekt Professor Diez Brandi-Göttingen.

25. Dezember 1951

Auf Vorschlag des Niedersächsischen Ministerpräsidenten verlieh der Bundespräsident dem Hormonforscher und Nobelpreisträger Professor Dr. Adolf Windaus in Göttingen zum 75. Geburtstag das große Verdienstkreuz des Bundesverdienstordens. Neben der Ehrung des bedeutenden Gelehrten ist damit der erste Göttinger mit dem erst in diesem Jahr gestifteten Orden ausgezeichnet worden.

In feierlichem Festgottesdienst wurde heute das Gemeindehaus der im Westen der Stadt, am Hagenberg, neue gegründeten evangelisch-lutherischen Friedensgemeinde seiner Bestimmung übergeben. Den gottesdienstlichen Raum, dessen wertvollster Schmuck ein von Superintendent Mirow geschenkter Kruzifixus aus dem 15. Jahrhundert ist, gestaltete Professor Diez Brandi-Göttingen.

31. Dezember 1951

Oberstadtdirektor Schmidt vereidigte heute in der Rathaushalle die Beamtenschaft der Stadt auf das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und die Verfassung des Landes Niedersachsen. Es war dies die letzte Amtshandlung des mit dem heutigen Tag aus dem Dienst scheidenden Oberstadtdirektors.


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