Chronik für das Jahr 1951

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2. Februar 1951

Zum Rektor der Knaben-Mittelschule (Voigt-Schule) wählte der Rat den Mittelschullehrer Helmut Grüter, der als Lehrer an der Mädchen-Mittelschule (Personn-Schule) seit 20 Jahren im städtischen Schuldienst steht.

Gelegentlich der hiesigen Uraufführung des von der Göttinger Domnick-Produktion gedrehten Filmes "Unsterbliche Geliebte" (nach der Novelle "Aquis submersus" von Theodor Storm) kam es im "Central-Theater" zu einer Störung. Gegen eine Wiederbeschäftigung des Regisseurs dieses Filmes, Veit Harlan, im deutschen Filmwesen hat sich im Bundesgebiet eine heftige Opposition erhoben, die Harlan seinen antisemitischen Film "Jud Süß" zum Vorwurf macht, den der während des nationalsozialistischen Regimes gedreht hat. In Herborn hatte es bereits Störungen gegeben. Bei der hiesigen Uraufführung protestierten gleichfalls Zuschauer durch Zwischenrufe, so daß die Vorstellung unterbrochen werden mußte. Die Polizei hatte im Amtsgericht einer Bereitschaft untergebracht, die vor dem "Central-Theater" sich bildende Protest-Sprechchöre zerstreute und die Störer der Aufführung aus dem Theater entfernte. Auch die Vorstellungen der nächsten Tage fanden unter Polizeischutz statt, doch ereigneten sich keine Zwischenfälle mehr.

8. Februar 1951

In einem Gebäude des ehemaligen Flugplatzes wurden heute die Räume für 5 Oberstufen-Klassen der Egelsberg-Schule in Benutzung genommen. Dadurch erfährt diese dringend erforderliche Entlastung. Sie ist derzeit die am höchsten belegte Volksschule der Stadt, anstatt 800 Kinder, für die sie vorgesehen war, werden jetzt 1480 dort unterrichtet.

10. Februar 1951

Der Generaldirektor des Nordwestdeutschen Rundfunks, Kultusminister außer Dienst Dr. h.c. Grimme, nahm heute in Gegenwart vieler Ehrengäste den Sender Göttingen in Nikolausberg offiziell in Betrieb. Im Fridtjof-Nansen-Haus gab Generaldirektor Grimme danach einen Empfang.

11. Februar 1951

Unter drei in engerer Wahl stehenden Bewerbern wählte die St. Johannisgemeinde Pastor Dr. theol., Dr. phil. Pallon in Artlenburg bei Lüneburg zum zweiten Geistlichen an St. Johannis und als Nachfolger des am 1. April aus dem Amt scheidenden Pastors Ködderitz.

13. Februar 1951

Die Georg-August-Universitäts beging den heutigen dies academicus als "Europatag" mit einem großen Bekenntnis zum Gedanken eines geeinten Europas. Bei der akademischen Feier in der Aula sprach Professor Graf Robert d' Harcourt, Mitglied der académie française, über das Thema "Wie sind die deutsch-französischen Mißverständnisse zu überwinden?". Nachmittags fand vor dem Stadtpark einer Jugendkundgebung der Göttinger Volksschulen statt, ferner an verschiedenen Stellen Diskussionen über europäische Probleme, bei denen Professoren des In- und Auslandes, Parlamentsabgeordnete, Mitglieder der Europaorganisation und Studenten fremder Nationen sprachen. Abends veranstaltete die Studentenschaft im Stadtpark-Saal eine öffentliche Kundgebung "Europa ist Gegenwart" mit Abgesandten vieler europäischer Länder als Redner. Die Versammlung faßte folgende Resolutionen:

  1. Sie unterstützt die von der "Aktion Junges Europa" erhobene Forderung nach einem europäischen Jugendpaß. Die europäischen Regierungen werden gebeten, mit diesem Paß der Jugend die Möglichkeit zu geben, kostenlos die staatlichen Grenzen zu überschreiten und Menschen und Länder ihrer europäischen Heimat kennen zu lernen.
  2. Sie fordert von den europäischen Regierungen eine Förderung des übernationalen Austausches von Schülern, Studenten und Arbeitern.
  3. Sie wendet sich gegen die zwischen Ost und West erzwungene Spaltung Europas und will sich dafür einsetzen, daß alle nach freiem Entschluß in einem geeinten Europa zusammenleben können.
  4. Die Göttinger Studenten begrüßen den Gedanken eines europäischen Studentenparlaments und richten an alle Studentenvertretungen der europäischen Länder die Bitte, sich für schnelle Verwirklichung des "Heidelberger Planes" einzusetzen.

Im Rathaussaal war eine Ausstellung "Internationale Jugendarbeit" geboten, und die "Studentischen Filmfreunde" zeigten Kulturfilme.

Der Rat der Stadt Göttingen hat anläßlich dieses Europatages der Studentenschaft die folgende Entschließung gefaßt:

"Voraussetzung für das Gedeihen eines friedlichen Europas und für Freiheit und Wohlfahrt seiner Völker ist vor allem eine internationale Begegnungsstätte der Jugend, gegenseitiges Kennenlernen zum Zwecke des Verstehens und der Duldung. Nur hieraus kann die Zusammenarbeit der europäischen Nationen im Sinne des Friedens und eine gerechten Sozialordnung erwachsen.

Der Rat der Stadt Göttingen stellt sich hinter den Gedanken der Vereinigung eines freien Europas; er begrüßt und unterstützt aus diesen Grund den Europatag der Studentenschaft der Universität Göttingen.

Der Rat der Stadt Göttingen erachtet es für eine Aufgabe der Städte, an diesem Gedanken mitzuarbeiten und auch von der kommunalen Ebene aus die Initiative zur Völkerverständigung zu ergreifen".

14. Februar 1951

Frau Sophie Stölting, geborene Twele, konnte heute ihren 100. Geburtstag begehen. 1851 zu Alfeld geboren, vermählte sie sich mit dem Pastor, späteren Superintendenten Stölting und lebt seit 1938 in Göttingen. Die Greisin erfreut sich bester Gesundheit wie geistiger Frische und ist die älteste Einwohnerin der Stadt.

Nach langwierigen Verhandlungen ist es gelungen, die Reithalle in der Weender Straße als akademisches Reitinstitut und damit eine 200 jährige Tradition zu erhalten. Es waren Pläne aufgetaucht, die Reithalle mit Hilfe eine große amerikanischen Spende zu einem Studentenhaus auszubauen. Alle am Reitsport interessierten Kreise wandten sich dagegen, eine Protest-Liste füllte sich mit über 1300 Unterschriften die sich für Erhaltung der Reithalle erklärten. Die maßgebenden Instanzen haben sich schließlich dementsprechend entschieden. Daher brachten die studentischen Reiter heute aus Dankbarkeit Rektor und Senat einen Fackelzug.

17. Februar 1951

Der Fachkreis deutscher Landwirtschaftsstudenten hielt in Göttingen eine mehrtägige gesamtdeutsche Tagung ab, an der Vertreter der landwirtschaftlichen Fakultäten der westdeutschen Hochschulen, der Universität Jena sowie Gäste der Technischen Hochschule Zürich und der Landbauhochschule Wageningen in Holland teilnahmen.

21. Februar 1951

Im "Stadtpark" fand ein Landvolk- und Kreis-Landfrauen-Tag statt, der aus allen südhannoverschen Kreisen zahlreich besucht war und bei dem auch der Präsident des Niedersächsischen Landvolkes sprach.

Die Klasse 8 a der Felix-Klein-Oberschule erhielt von einer höheren Schule im Staat New York eine Geschenkkiste, die heute in der Aula der Schule feierlich übergeben und geöffnet wurde. Es soll dadurch die Arbeit einer Rote Kreuz-Jugendgruppe an der Felix-Klein-Oberschule gefördert werden, die heute begründet worden ist, gleichzeitig mit einer solchen an der Knaben-Mittelschule (Voigt-Schule).

Anläßlich der heute in Köln stattfindenden Trauerfeierlichkeiten für den verstorbenen Ersten Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Dr. h.c. Hans Böckler, hatten die öffentlichen Gebäude Halbmast geflaggt. Wie in der gesamten Bundesrepublik, so trat auch in sämtlichen Göttinger Betrieben von 14 bis 14.02 Uhr Arbeitsruhe ein.

24. Februar 1951

Die erste Rechtspfleger-Tagung im Bezirk des Landgerichts Göttingen seit Wiedereröffnung der Gerichte wurde heute hier abgehalten. Sie diente hauptsächlich dazu, die Beamten des gehobenen Justizdienstes mit Veränderungen in verschiedenen Rechtsgebieten vertraut zu machen.

25. Februar 1951

Die Göttinger Stadtkantorei gab unter ihrem Dirigenten, Kirchenmusikdirektor Ludwig Doormann, in der Markuskirche zu Hannover eine Geistliche Abendmusik mit zeitgenössischen Werken von Ernst Pepping.

27. Februar 1951

Oberbürgermeister Föge, General außer Dienst Hoßbach, Stadtsuperintendent Wiesenfeldt und Dechant Marheinecke haben öffentliche Aufrufe an die Göttinger Bevölkerung erlassen, für den am 26. Oktober 1950 vor dem Militärgericht in Lille zum Tode verurteilten ehemaligen Oberstleutnant Kolrep (vor dem Krieg im Göttinger Grenadier-Regiment 82), dessen Frau und drei Töchter in Göttingen leben, durch Unterschriften-Sammlungen ein Gnadengesuch einzureichen. Dem früheren Oberstleutnant Kolrep wird zur Last gelegt, daß während des letzten Krieges ein französischer Zivilist, der auf deutsche Soldaten geschossen hatte, von einem Standgericht abgeurteilt und erschossen worden ist. In die an drei Stellen in der Stadt Tage lang ausgelegten Listen haben sich 17.000 Personen eingetragen. Diese Aktion ist in der britischen Öffentlichkeit viel beachtet worden.

Der als alleinberechtigter Vertreter aller Luftsport-Interessen in Niedersachsen zugelassene Luftsport-Verband Niedersachsen wurde als ordentliches Mitglied des Deutschen Aero-Clubs aufgenommen. Der hat seinen Sitz in Göttingen.

28. Februar 1951

In althergebrachter Weise ist heute das Richtefest der an der Bergen-Straße gelegenen neuen Nordschule begangen worden. Im Sommer vorigen Jahres beschloß der Rat den Bau, am 16. Oktober begannen die Erdarbeiten, und 14 Tage später konnte der Grundstein gelegt werden.


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