Chronik für das Jahr 1949

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1. April 1949

Mit 80.402 Köpfen hat die Göttinger Bevölkerung erstmalig die 80.000 überschritten. Der Anteil der Flüchtlinge (Ostvertriebenen) und Everkuierten beträgt rund 20.000, also etwa ein Viertel der Gesamtbevölkerung.

2. April 1949

Die wirtschaftliche Lage seit der Währungsreform am 20. Juni 1948 machte wesentliche Sparmaßnahmen notwendig. Auch der Theaterbesuch ging, wie allerorts, zurück. Die Stadtverwaltung verpachtete daher die im vorigen Jahr neugeschaffenen Kammerspiele in der Hospitalstraße zur Einrichtung als Lichtspielhaus an den Filmtheaterbesitzer Heidelberg jun.. Dem Stadttheater bleiben die Kammerspiele allwöchentlich für einige Abende für Aufführungen vorbehalten. Heute fand hier die Eröffnungsvorstellung des neuen Filmtheaters statt.

3. April 1949

Die katholische Gemeinde beging das Goldene Priesterjubiläum des Papstes mit einer Feierstunde in der Aula der Oberschule für Jungen.

4. April 1949

In einer außerordentlichen vertraulichen Sitzung beschloß der Rat, den derzeitigen Oberstadtdirektor Glahn in den Ruhestand zu versetzen. Oberstadtdirektor Glahn ist wegen Differenzen mit der Mehrheit des Stadtparlaments seit Ende Dezember vorigen Jahres nicht mehr im Amt.

6. April 1949

Die Lehrerinnen und Beratungskräfte aus dem Landwirtschaftskammerbezirk Niedersachsen tagten vom 6. bis 9. April in Göttingen und gründeten den 1933 aufgelösten "Verband der Lehrerinnen für landwirtschaftliche Berufs- und Fachschulen" wieder.

7. April 1949

Im "Capitol-Theater" brachte die in Göttingen ansässige Dimnick-Filmproduktion die Uraufführung ihres ersten Filmes "Amico" heraus.

12. April 1949

Für die zahlreiche Grenzgänger aus der und in die sowjetische Besatzungszone ist heute auch in Göttingen eine Wechselstube eingerichtet worden, in der nach amtlichem Kurs Gelder der Ostwährung in Westwährung und umgekehrt umgewechselt werden.

13. April 1949

Die Jahn-Schule in der Bürger-Straße, die bisher als Auffangsammelstelle für aus Rußland heimkehrende Kriegsgefangene diente, ist freigegeben worden. Die Stadtschulverwaltung übernahm heute das Gebäude wieder, das mit Ausnahme einer Küchenanlage wieder Schulzwecken dient. Mit der Freigabe der Jahn-Schule ist die in den letzten Jahren geradezu katastrophale Raumnot der hiesigen Schulen wenigstens etwas gemildert, sie bleibt aber bei anwachsender Bevölkerung und auch weiterhin bei beschränkten Klassenräumen sehr ernst. Die städtischen Turnhallen müssen noch weiter zur Unterbringung der Rußland-Heimkehrer benutzt werden. Auch das Gymnasium konnte seine eigentlichen Bestimmung noch nicht wieder zurückgegeben werden, es dient nach wie vor als Krankenanstalt.

Stadtschulrat Buchheim hat im Göttinger Schulwesen eine Neuerung eingeführt: es sind drei Abschlußklassen für Schüler geschaffen worden, die so weit zurückgeblieben sind, daß sie Ostern 1950 den Lernstoff noch nicht bewältigt haben werden. Es handelt sich dabei meistens um ostvertriebene Flüchtlingskinder, die ohne ihre Schuld durch Kriegs- und Nachkriegsverhältnisse noch große Lücken in ihrem Wissen aufweisen. Diese im Einverständnis mit den Eltern geschaffenen Klassen umfassen je 30 Kinder mit erfahrenen älteren Lehrern und befinden sich den der Herbart-, der Luther- und Albani-Schule.

Daneben wurde eine sogenannte Abschlußklasse eingerichtet, sie soll hauptsächlich Heimkehrerkinder aus Polen aufnehmen. Diese Kinder sind zum größten Teil überhaupt noch nie in einer Schule gewesen, sie beherrschen in vielen Fällen nicht einmal die deutsche Sprache. Bisher sind sie durch Privatunterricht im Frauenbund vorbereitet worden und werden vom 1. Juni ab in einer Klasse zusammengefaßt, aus der sie dann in den ordentlichen Schulunterricht entlassenen werden sollen. Im Heimkehrerlager Friedland halten sich noch 800 solcher Kinder auf, die zum Teil nach Göttingen überwiesen werden.

16. April 1949

Das seit mehreren Jahren für die britische Besatzung beschlagnahmte Hotel "Deutscher Hof" in der Weender Straße ist freigegeben und heute wiedereröffnet worden. Die Unterbringungsmöglichkeiten für den starken Fremdenverkehr Göttingens erfahren dadurch eine Erleichterung. Die Hotels "Zur Krone", "Zur Sonne", "Gebhards Hotel" und "Stadt Hannover" bleiben weiter für die Militär-Regierung beschlagnahmt.

18. April 1949

Am 18. und 19. April tagte der erweiterte Vorstand des Vereins für Sozialpolitik in Göttingen.

19. April 1949

Heute begann das diesjährige Anschießen der Bürgerschützengesellschaft von 1392. Es ist dadurch bemerkenswert, daß nur mit Armbrüsten geschossen wird. Die britische Militär-Regierung hat den Gebrauch von Gewehren aller Art für Schützengilden noch verboten, so daß der Schießsport nur durch Rückkehr zur mittelalterlichen Armbrust möglich ist.

Der Verein zur Förderung des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts hielt vom 19. bis 22. April hier seine Hauptversammlung ab.

20. April 1949

Auf der ersten Nachkriegstagung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie in Karlsruhe wurde der Direktor der Göttinger Universitäts-Frauenklinik, Professor Dr. Martius, zum Präsidenten der Gesellschaft gewählt.

Heute begeht der Rendant und stellvertretende Direktor der Kreissparkasse Göttingen Albert Wiegel sein 40 jähriges Berufsjubiläum.

21. April 1949

Der Bezirksverband Hildesheim-Süd des Kreisverbandes für evangelische Kirchenmusik tagte heute hier.

Gleichzeitig fand eine Tagung des sparkassentechnischen Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Sparkassen- und Giroverbände aus den drei Westzonen statt. Am folgenden Tag traten die Revisionsleiter aller Sparkassenverbände der Westzonen hier zusammen.

22. April 1949

Die Deutsche Bunsen-Gesellschaft für physikalische Chemie hielt vom 22. bis 23. April in Göttingen eine Diskussionstagung ab.

Vom 22. bis 24. April waren im Institut für Erziehung und Unterricht zwei pädagogische Tagungen.

25. April 1949

Vor der Industrie- und Handelskammer wurde die Lossprechung der Lehrlinge aus den Berufszweigen Industriekontor, Großhandel, Banken, Versicherungen und Einzelhandel vorgenommen. Von den 130 Prüflingen bestanden vier mit "Sehr gut", 39 mit "Gut", 66 mit "Genügend", 21 bestanden nicht. Bei der gleichzeitigen Lossprechung der Industriefacharbeiter-Lehrlinge bestanden von 105 Prüflingen 94.

Die letzte Münchener Tagung der Rektoren aller Hochschulen der drei Westzonen beschloß, daß ständige Büro der "Westdeutschen Rektorenkonferenz" in Göttingen zu errichten.

30. April 1949

Im Bereich des Arbeitsamtes Göttingen (Stadt- und Landkreis Göttingen, Kreis Hann. Münden) waren heute 5660 Männer und 1280 Frauen als arbeitslos gemeldet.

Auf Grund eines Ratsbeschlusses ist der Städtischen Oberschule für Jungen der Name "Felix-Klein-Oberschule" beigelegt worden, zur Erinnerung an den am 25. April vor 100 Jahren geborenen bedeutenden Göttinger Professor der Mathematik. Die Feier der Namensgebung fand heute in der Aula der Schule statt.

Die städtischen Berufsschulen besuchen zur Zeit 3486 Schüler, darunter 600 Mädchen.


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